Für Darabos war die Wehrpflicht stets „in Stein gemeisselt“. Bis die „Krone“, im Zuge des Wiener Wahlkampfes, Häupl eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Wehrpflicht fordern ließ. Darabos gab nach und wechselte die Seite.

Aus der Sicht von Norbert Darabos ist alles ganz einfach: „Mir schwebt eine Entweder-oder-Frage vor: Profiheer oder Wehrpflicht.“

Genau darin liegt aus meiner Sicht das riesengroße Problem. Es werden zwei schlechte Lösungen angeboten. Zweifelsfrei bedarf es einer Neuordnung des Bundesheeres bzw. einer Diskussion über dessen Existenzberechtigung.

Meine Position möchte ich kurz skizzieren:

  • Abschaffung/radikale Verschlankung des Bundesheeres in seiner jetzigen Form
  • Schaffung eines „Technischen Hilfswerkes“ analog zu Deutschland, aufgebaut auf den bestehenden Pionierkompanien des Österreichischen Bundesheeres. Dieses THW würde aber aus meiner Sicht besser in die Aufgaben des Innenministeriums passen.
  • Wenn politisch gewollt: Schaffung einer kleinen Berufssoldaten-Truppe für Einsätze unter Flagge der UNO. Unter der Prämisse, dass dieser Truppenteil in keine peace making-Operationen geschickt werden darf. Denkbar aus meiner Sicht dreiteilig: Sanitätspersonal, Pionierzug, Jagdkommando-Kompanie zu deren Schutz. Wobei auch hier die Frage zu stellen ist: wäre es nicht sinnvoller das dafür aufzuwendende Geld für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen? Es ist kein Zufall, dass Darabos unsere Truppen in den Tschad geschickt hat. Dies geschah ausschließlich, weil ein Einsatz dieser Güteklasse von der NATO gewünscht wurde.
  • Was bleibt am Ende? Entweder Totalauflösung des Verteidigungsministeriums oder ein Apparat mit maximal 500 Mann/Frau zur Abwicklung der Auslandseinsätze. Wobei ich noch einmal betonen möchte, dass ich grundsätzlich skeptisch bin was Auslandseinsätze betrifft, da ich keine Sekunde lang das Leben österreichischer Soldaten gefährdet sehen möchte.

Wenn man nun so eine Position einnimmt, wie geht man mit der vorhandenen Fragestellung bei der kommenden Volksbefragung um? Es ist eine Abwägungssache.

  • Ja, es wird Menschen Zeit geraubt, wenn sie in im Rahmen der Allgemeinen Wehrpflicht zum Bundesheer einrücken müssen.
  • Ja, die Mehrzahl der gestellten Aufgaben bzw. durchzuführenden „Tätigkeiten“ sind mehr oder weniger sinnlos.
  • Ja, jeder von uns Präsenzdienern weiß, dass Alkohol und Schikanen an der Tagesordnung stehen.
  • Ja, das Argument mit dem Zivildienst ist keines, weil es nicht sein darf, dass man „Ja zur Wehrpflicht“ sagt, nur weil als Abfallprodukt billiges Pflege- und Rettungspersonal dabei rauskommt.
  • Ja, es ist völlig unverantwortlich und aus meiner Sicht ein Verbrechen junge Menschen bewaffnet an die Grenze zur Grenzsicherung im Rahmen des Grenzeinsatzes einzusetzen, von den daraus resultierenden Selbstmorden will ich gar nicht sprechen.
  • Alle Experten (dazu zähle ich den HBM nicht) gehen davon aus, dass ein Profiheer nach SPÖ-Vorstellung samt Neuordnung des wegfallenden Zivildienstes weit teurer kommen würde, als das bestehende Modell. In Budgetzeiten wie diesen unverantwortlich. Wenn man kein Geld hat um Unis ordentlich auszustatten oder Heimkindern, die zur Zwangsarbeit gezwungen wurden, die Anrechnung dieser Jahre für ihre Pension aus Kostengründen (!) verweigert, dann darf für eine Aufrüstung Österreichs schon gar kein zusätzliches Geld ausgegeben werden.
  • Der Präsenzdienst sorgt für eine soziale Durchmischung, das Bundesheer ist quasi derzeit eine Art melting pot. Welche Leute werden von einem Berufsheer angezogen, von dieser Darabos’en Profitruppe? Wohl zu einem guten Teil eine Mischung aus Zivilversagern, Waffennarren und schießgeilen Zeitgenossen. Will ich das? Nein, will ich nicht. Ein Bundesheer, das aus allen Teilen der Gesellschaft besteht, ist weitaus ungefährlicher, als eine Profitruppe. Ich fühle mich nicht wohl dabei, ich sag das ganz offen.
  • Der Katastrophenschutz wäre bei einem Profiheer nicht mehr in diesem Umfang gewährleistet.

Mir kommen drei Erlebnisse in den Sinn, die ich mit Euch teilen möchte:

Erlebnis 1: Als ich zum Bundesheer eingerückt bin (EF-Ausbildung) stand ein sogenannter Eingewöhnungsmarsch am Programm. Wir wurden von angehenden Berufssoldaten kommandiert, Fähnrichen, allesamt „Profi-Truppe“. Als wir bei einer Marschpause ein wenig herumgeblödelt hatten, baute sich einer von diesen Profis vor mir auf und schrie mir ins Gesicht: „EF-Wehrmann Fußi, Sie elendiges Arschloch, wozu sind Sie hier?“ – Bevor ich antworten konnte, hat der gute Mann die Frage für mich gleich beantwortet: „Sie sind hier um töten zu lernen! Töten, töten, töten!“. Ich war zugegebenermaßen mehr amüsiert als schockiert und habe mit einem grinsenden „Jawohl, töten, töten, töten!“ geantwortet. Nur: der Typ meinte es ernst.

Erlebnis 2: Inzwischen von der EF-Ausbildung ausgeschieden, versah ich den Rest meiner Grundausbildung in einer steirischen Kaserne. Tagesaufgabe: Grabenkampf. Minus 15 Grad, wieder ein Fähnrich aus Wiener Neustadt. Der Weg war einer sogenannten SB-Rolle blockiert, Stacheldraht mit Art Rasierklingen oben. „Wie überwindet man diese Stacheldrahtrolle?“ – „Wir könnten uns Holzäste suchen und damit die Rolle niederdrücken und drüberlaufen“, rief einer meiner Kameraden. Der Fähnrich meinte, dies wäre nicht effektiv, weil zu zeitaufwändig. Plötzlich lief er los, stürmte auf die Rolle zu, warf sich auf diese und rief: „Lauft über mich drüber“. Gesagt, getan. Er hatte unzählige Schnittwunden, war aber total glücklich. Abends meinte er zum Zugkommandanten, dass solche Übungen für ihn wie „Weihnachten und Ostern“ seien. Der Zugkommandant hatte in seinem Zimmer ungefähr 20 Poster hängen. Pistolen und Pin-Up-Girls, ziemlich ausgeglichen.

Erlebnis 3: Grenzeinsatz. Uns wurde immer wieder klar gemacht, dass nur Aufgriffe zählen würden. Nach 3 Wochen noch immer kein Aufgriff. Mitten in der Nacht war es plötzlich laut in dem Waldstück, in dem ich und ein Kollege Dienst hatten. Durch das Nachtsichtgerät konnten wir sehen, dass zwei Personen durch das Dickicht auf uns zukamen. Wir hatten Befehl wie folgt vorzugehen: Herankommen lassen, so auf ca. 10-15 Meter, aufspringen, rufen „Halt, Österreichische Grenzsicherung!“ und die Illegalen aufgreifen. Sie kamen näher, es war stockdunkel. Ich hatte eine Scheißangst, mein Puls war in Höhen, die ich wohl nie wieder erreichen würde. „Halt, Österreichische Grenzsicherung!“. Wir sprangen auf und liefen auf die Beiden zu. Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Vor lauter Angst habe ich mein STG 77 geladen und es machte „BUMM“.  „Nicht schießen, Streife Caesar!“. Die Kameraden, die auf Streife waren, hatten sich den Spaß gemacht, uns zu testen. 3 Wochen lang kam die Streife den Waldweg entlang, am Waldrand. Man machte Meldung, „Keine besonderen Vorkommnisse“ und sie gingen weiter. Nur in dieser Nacht eben nicht. „Sie Arschloch hätten mich fast erschossen!“, schrie mich der Wachtmeister an. Ich versicherte, nicht geschossen zu haben. Umgehend brachte man mich zurück ins Quartier und ich wurde in der Unterkunft unter Bewachung eingesperrt. Irgendwann gegen 4 Uhr früh tauchte ein Offizier vom Militärkommando Burgenland auf, der die Untersuchung leitete. Ergebnis: Mein STG war zweifach beschädigt, durch das Laden hatte sich ein Schuss gelöst. Ich wurde freigesprochen, musste jedoch -glaublich- 19 Schilling für die Patrone bezahlen. Der Zugkommandant meinte nur: „Was scheißen Sie sich an? Wenn der hin g‘wesen wär, hätten Sie eh nix dafürkönnen, war ja das G‘wehr hin“. Mit 19 Jahren alles nicht so lustig. Übrigens: Was das Bundesheer daraus gemacht hat, als ich das Abfangjägervolksbegehren gestartet hatte, kann man hier nachlesen:  Bundesheer-Kameraden erinnern sich an „Amoklauf“ Fußis

Es geht nicht an, dass man junge Menschen für den Grenzeinsatz missbraucht, weil das BMI sich Kosten sparen will.

Es geht nicht an, dass man junge Menschen für den Zivildienst heranzieht, nur weil es billige Arbeitskräfte sind.

Aber ist die Antwort darauf ein Profi-Heer?

Wäre die Antwort nicht viel eher, dass das Innenministerium die Aufgaben der Grenzsicherung übernimmt und dass man für die Erfüllung der sozialen Aufgaben, egal ob Pflege- oder Rettungsdienst, das dafür nötige Geld in die Hand nimmt?

Bei der vorliegenden Fragestellung „Wehrpflicht oder Profiheer“, ist daher im Zweifel für die Beibehaltung der Wehrpflicht zu stimmen. Mit erheblichem Bauchweh.