Die Chance für neue Parteien sei so groß wie nie zuvor. Die Menschen seien sowohl von Opposition als auch -vor allem- von Regierung enttäuscht. Es wirke fast so, als ob SPÖ und ÖVP einem geheimen Plan folgen, der die Selbstzerstörung der eigenen Partei als Ziel aufruft. Dies sind nur einige der Einschätzungen von Innenpolitikjournalisten und Politologen die man in den letzten Tagen und Wochen so liest.

Und natürlich haben sie recht. Ich würde sogar noch hinzufügen: Es braucht dringend Alternativen zum bestehenden System. Aber in einem Punkt würde ich doch entschieden widersprechen wollen: „Einfach“ ist das alles nicht. Im Moment gibt es zwei politische Akteure, denen man Chancen einräumt in den nächsten Nationalrat einzuziehen: es sind dies die sich eben formierende Liste rund um Frank Stronach und die Piraten.

Geben die beiden eine Antwort auf den bestehenden „Need“ am Politikmarkt oder warum sind es gerade diese beiden „Parteien“? Nun. Die Antwort ist einfach. Im Falle Stronachs sind mehrer Faktoren ausschlaggebend: Er ist bekannt, gilt im Volk als „jemand der es geschafft hat“ (folglich> Wirtschaftskompetenz) und er hat genügend Geld, um sich in einer –sagen wir es höflich- eher doch ÖVP/SPÖ-freundlichen Medienlandschaft Gehör zu verschaffen. Sein Programm ist nicht neu. Viele der Forderungen hatte schon Jörg Haider erhoben und viele von den Forderungen sind ja nicht einmal falsch. Gegen die Allmacht der Banken und für ein Aufbrechen des Systems einzutreten, für eine Vereinfachung der Verwaltung und ein Ende des Parteienfilzes und seiner ihm eigenen Günstlingswirtschaft zu fordern, ist ja legitim. Darüber hinaus sind jedoch Flat Tax und vor allem die ventilierten Überlegungen einer Rückkehr Österreichs zum Schilling zumindest hinterfragenswert. Was aber bleibt ist: man traut ihm zu, etwas zu bewegen.  Also: Bekannte Person, Geld, Kampf gegen „die da oben“. Das kann funktionieren.

Die Piraten sind zwar in der öffentlichen Meinung im Sinkflug, die Marke an sich wäre bei strategischem Vorgehen aber aus meiner Sicht noch immer stark genug, um den Einzug in den Nationalrat zu schaffen. Doch soll man sich das auch wünschen? Hier gibt es Skepsis. Das Modell der Liquid Democracy ist unausgereift, die Basisdemokratie ist –weil falsch aufgefasst- ein Hemmschuh der Piraten. Klingt zwar sexy, aber alles im Schwarm erledigen zu wollen, führt einfach zu schnell zu sozialem Stress in einer Gruppe. Inhaltlich sind die Piraten schwer zu berurteilen, da über die Kernthemen hinaus kaum beschlossene Positionen existieren. Es gibt von neoliberal bis links so ziemlich alles bei ihnen, eines fällt auf: es gibt kaum Leute mit politischer Erfahrung und diese Tatsache wird ihnen auch das Genick brechen.  Also: eine Marke, die vom Erfolg der deutschen Kolleg_innen lebt.

Was aber fehlt wirklich? Was aber fehlt jemandem wie mir wirklich? Es ist ja kein Geheimnis, dass Sarah Wagenknecht zu den Politikerinnen gehört, die ich sehr schätze. Was in Österreich fehlt ist eine Partei links der Mitte. Und zwar deutlicher links, als Mitte. Hier gibt es nämlich gar nix. Das ist sozusagen der tote Winkel des österreichischen Parteiensystems.

Moment, es gibt ja eh SPÖ und Grüne, mögen so manche einwenden. Über die SPÖ muss man nicht viel sagen, Anspruch und Wirklichkeit, Gesagtes und Taten sind so weit von einander entfernt wie Andreas Laun von Niko Alm. Oder Werner Faymann von Che Guevara. Oder wenigstens Laura Rudas von Rosa von Luxemburg. Die SPÖ wird wieder mal einen Wahlkampf führen und das Gesagte nach der Wahl mit „Naja, wir haben halt keine 50%“ vom Tisch wischen. Dieses Mal wird’s „Mehr Gerechtigkeit“. Oft hat man das Gefühl, dass die Kanzlerpartei Jahrzehnte in Opposition gewesen sei. Die Verteilung des Vermögens ist in der Tat skandalös, nur: jedes einzelne Jahr Kanzlerschaft der SPÖ hat die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht. Schändlich. Und daran muss man die Menschen täglich erinnern.

 

Die Grünen also. Ja eh. Eh nett und nicht korrupt. Und manchmal einfach herzig unpolitisch. Und so jung und anders. Moment. Jung? Fehlanzeige. Der Nationalratsklub besteht seit Jahren aus derselben Riege, es ist sogar anzunehmen, dass bei der Erstellung der Listen für die Nationalratswahlen alles beim Alten bleibt. Abgesehen von der zu erwartenden Kandidatur von Sigi Maurer und der bereits angekündigten Kandidatur des burgenländischen Abgeordneten Michel Reimon. Michel, wer? Reimon ist der Politiker mit den meisten Followern auf Twitter. Ein hervorragender Journalist und Autor, ein Intellektueller, der im burgenländischen Landtag so gut aufgehoben ist wie ein sauteurer Bordeaux bei einem Branntweiner in der Wiener Vorstadt. Man müsste annehmen, dass jede Partei, die noch ganz bei Trost ist, händeringend auf die Knie sinkt, um so jemanden für eine Kandidatur zu gewinnen. Das Abschneiden Reimons bei der Listenerstellung für die Nationalratswahl ist ein Gradmesser für die Erneuerungsfähigkeit und das Anders-Sein der Grünen.

Anders? Nun. Ja. Eh. Sie wollen Lösungen anbieten. Oft auch auf Fragen, die keiner stellt. Sie wollen konstruktiv sein. Das führt dann auch zu politischen Sündenfällen wie der Zustimmung des Europäischen Unter- und Mittelschichtenenteignungsinstrumentes ESM. Oder bei der Zustimmung zur Korridorbestimmung der Parteienförderung. Die Grünen verfolgen eine Strategie: Die Roten mögen doch bitte Wähler_innen von der FPÖ gewinnen, die Grünen wollen enttäuschte Schwarze für sich gewinnen. Und so agiert die Partei auch. Bürgerlich, oft –zumindest in meiner Wahrnehmung- weit entfernt von den Bedürfnissen und Lebensrealitäten jener 74% der lohnsteuerpflichtigen Einkommensbezieher Österreichs, die weniger als 1490 EUR netto per Monat verdienen. Naja. Die gehen auch nicht ins Museumsquartier. Und das strategische Vorgehen im U-Ausschuss verdient auch ein Kopfschütteln. Natürlich ist Moser nicht schuld. Natürlich gibt es eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. Aber das Spiel der „4“ mitspielen? Warum nicht deren Strategie durchkreuzen, Moser in Würde und mit offensiver Strategie zurückziehen und dann auf den Tisch hauen? „Ok. Moser ist wie gefordert weg und jetzt ran an die Aktien. Raus mit der Wahrheit. Her mit Faymann. Her mit den Ostgeschäften“. Aber man muss nicht alles verstehen. Und: Warum schließt man nicht unmissverständlich eine Koalition mit Parteien aus, die der Korruption die Mauer machen? Das ist nicht konsequent und führt zum Grundproblem der Partei: den Grünen ist die Opposition schlichtweg zu fad geworden. Was ich eh verstehen kann. Aber es wirkt oft halt so „Regierungsbeteiligung um jeden Preis“-mäßig. Wien ist in manchen Bereichen als Vorbild herzunehmen, Vorgangsweise bei Parkpickerl, Wahlrecht und Gebührenerhöhung sind jedoch nur schwer nachzuvollziehen.

Darüber hinaus gilt es einige generelle Feststellungen zu machen:  „Politiker“ sind Mangelware. Was wir erleben ist eine Generation der Politikdarsteller. Gesagt wird, was opportun ist. Getan wird: meist das Gegenteil. Kaum jemand streitet und kämpft für Ideen, Positionen oder eine Vision. Was ist die Vision einer ÖVP? Was die Vision einer SPÖ? Fehlanzeige. Und: noch nie war die politische Klasse weiter entfernt von den Menschen als heute. Und das wissen „die da oben“ auch. Aber: Noch reichen die Stammwähler_innen und der eigene Apparat, um ein halbwegs brauchbares Ergebnis zu erreichen. Es geht nur noch um Mobilisierung, klar. Kein Wunder, die Wahlbeteiligung sinkt stetig, dass man kaum noch Politiker_innen findet, die sich aktiv auf Bürger_innen zu bewegen. Man inseriert lieber.

Und: Gerade bei der Euro-Krise wird deutlich sichtbar, dass Politiker_innen schlichtweg lügen. „Alternativlos“ sei das Vorgehen, „alles nicht so schlimm“, täglich eine Lüge. Das verdeutlicht die Verachtung die das Polit-Establishment der eigenen Bevölkerung entgegenbringt, weil sie das Volk für „zu dumm“ hält, das Gegenwärtige zu verstehen. Nun. Es war nicht „das Volk“, das Europa in die Krise geführt hat. Es war auch nicht „das Volk“, das den Finanzmarkt dereguliert hat auf Teufel komm raus. Es war auch nicht „das Volk“, das ermöglicht hat, dass Staatsschulden explodieren. Es war auch nicht „das Volk“, das eine Steuerpolitik wollte, die Reiche reicher macht und Arme ärmer. Es war auch nicht „das Volk“, das gesagt hat: „Lasst uns Arbeitseinkommen so hoch und leistungslose Einkommen so niedrig wie möglich besteuern!“. Und es war sicher nicht das Volk, das der österreichischen Polit-Elite nahezu eine Verdoppelung der ohnehin weltweit fast einzigartig hohen Parteienförderung befohlen hatte. Nein. Es sind die Politiker_innen. Schöner kann man Postdemokratie ja gar nicht mehr beschreiben. Die Politik hat das Primat des Handelns längst an Lobbyisten, Konzernkartelle und die Finanzwirtschaft abgegeben. Das was wir Politikonsument_innen noch an Politik geboten bekommen ist maximal Schauboxen. Und die Tickets dafür werden immer teurer.

Wir leben in einem System, das nur dem Kapital nützt und das auf stetiges Wachstum aufgebaut ist. Wachstum bedingt höheren Verbrauch von Ressourcen. Im August sind bereits die Ressourcen aufgebracht, die uns der Planet zur Verfügung stellt und die er selbst erneuern kann. Wir leben also auf Pump. Geldsysteme können scheitern, macht man halt was Neues. Der Raubbau am Planeten aber ist ein Weg in den Untergang. Ein Weg auf dem es kein Zurück gibt. Wir bringen uns selbst um. Schleichend zwar, aber egal. Hauptsache alle haben ein Smartphone und einen Flatscreen. Juhu!

Darum sind die faulen Kompromisse, die uns SPÖ und Grüne vorleben auch Gift. Man gibt sich damit zufrieden, dass ein Auto, das mit 180 km/h auf einen Abgrund zurast nur noch mit 128 km/h dem Untergang entgegenfährt. Toll, oder? Nein. Bremsen und Rückwartsgang.  Es braucht endlich eine politische Kraft, die auch den Mut hat die Wahrheit zu sagen. Die da lautet: Sorry, ich hab meine Position und die ist richtig. Und bevor ich sie verwässere und zum Beitragstäter werde, kämpfe ich lieber solange dafür, bis es alle Menschen verstehen oder zumindest eine Mehrheit. Es braucht Mut.

„Mut statt Wut“ lautet der Titel einer Kampagne, die derzeit in Österreich läuft. Nun. Ich komme mir verarscht vor. WANN wenn nicht JETZT? Wann wenn nicht jetzt soll man ob der Zustände wütend sein? Ist Wut etwas Schlechtes? Ist Wut ein schlechterer Ratgeber als Kalkül oder Berechnung? Ist Wut moralisch verwerflicher als Opportunismus? Ist Wut als Triebfeder unanständiger als der Drang zum Futtertrog? Ist Wut als Emotion nicht erst recht die Grundlage für etwas Neues? Kann aus Wut nicht vielleicht konstruktive Betätigung GEGEN untragbare Zustände entstehen?

Was aber sollte entstehen?

Wenn man Parteien einordnet, gibt es im Koordinatensystem eine Achse für die Gesellschaftspolitik und eine für die Wirtschaftspolitik. Liberal/Autoritär bzw. Kommunistisch/Neoliberal. Ich halte die Einordnung für zu platt und auch nicht mehr zeitgemäß, da das Zeitalter der Ideologien zu Ende geht. Dogmen werden zunehmend durch Realitätszwänge ersetzt.

Zur Gesellschaftspolitik. Wir leben im Jahr 2012. Ein neues politisches Angebot müsste gesellschaftspolitisch einfach folgendes sagen: „Hey, wir leben im Jahr 2012. Für uns ist es selbstverständlich, dass jede/r so leben soll wie er/sie will. Für uns ist es nicht einmal eine Sekunde lang nötig, darüber nachzudenken, ob Frauen und Männer gleich viel wert sind und die gleichen Chancen, die gleiche Bezahlung, die gleichen Rechte haben sollten. Oder ob Migrant_innen oder Inländer_innen gleich viel Wert sind und die gleichen Chancen, gleiche Bezahlung und gleichen Rechte haben sollten. Oder ob Homosexuelle und Heterosexuelle gleichzustellen sind. Oder ob Religionen, Ethnien, soziale Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung et alii eine Rolle spielen. Wir leben im Jahr 2012. Wir leben dieses Gefühl und wir verstehen eine andere Meinung diesbezüglich gar nicht. Wir wollen darüber auch gar nicht diskutieren. Es geht um Menschenrechte. Und die sind nicht verhandelbar.“ Wir wollen keine Gesellschaft in der alle gleich sind. Das wäre auch dumm. Nein. Wir wollen eine Gesellschaft in der alle die gleichen Chancen und die gleichen Rechte haben. Vor allem aber auch das Recht auf eine faire Verteilung der Ressourcen. Wir nennen das: Hausverstand.

Und darum geht’s : um Politik mit Hausverstand. Lösungen sind am besten zu finden, wenn man den Verstand einsetzt. Wenn der Verstand gepaart mit der Empathie für seine Mitmenschen zum Einsatz kommt: umso besser.

Einer der Grundfehler der Linken war es immer die Wirtschaft per se zu verteufeln. Was man historisch betrachtet ja durchaus verstehen kann. Nur auch hier: wir leben im Jahr 2012.

Die Wirtschaft ist einem dramatischen Wandel unterworfen: EPU’s schießen aus dem Himmel. Auf der anderen Seite kommt es durch die Dominanz einzelner Konzernkartelle weltweit zu monopolartigen Gebilden mit marktbeherrschender Stellung. Und alles ist dem Wachstums- und Profitdenken unterworfen. Darum befindet sich auch 400 mehr Kohle im Kreislauf der Finanzwirtschaft. Weil dort eben mehr Profit zu machen ist.

Eine neue Bewegung müsste den kompromisslosen, entschlossenen Kampf gegen die Finanzwirtschaft aufnehmen. Nein. Nicht gegen die Raiffeisenbank Pölstal oder die Volksbank Mödling. Sondern gegen die Verursacher der Krise und Katalysatoren der Macht-, Vermögens- und Ressourcenkonzentration  in den Händen einiger Weniger. Den Kampf gegen jene, die mit Giftpapieren unsere Zukunft aufs Spiel setzen (und wahrscheinlich auch schon verzockt haben). Gegen jene, die es geil und cool finden, dass in der Sekunde bis zu 60.000 Trades durchgeführt werden, zu 60% schon von Computern im Übrigen. Die Finanzwirtschaft muss auf das Kerngeschäft reduziert werden: Kredite vergeben, Einlagen annehmen und Überweisungen durchführen. Klingt fad. Ist es auch. Aber das Ergebnis ist klar: too boring to fail.

Das ist entscheidend, unabdingbar und nicht verhandelbar. Koalitionsbedingung Numero uno quasi.

Eine neue Bewegung müsste in der Organisation des Staates und seiner Aufgaben nach drei ganz, ganz simplen Fragen agieren: 1. Was soll ein Staat leisten 2. Was kostet das? 3. Wie finanzieren wir das?

Der Staat ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich. Und der Staat muss das Steuergeld seiner Bürger  so effizient wie möglich einsetzen. So wenig Verwaltung wie möglich, so viel Verwaltung wie nötig. Und der Staat soll die oben beschriebenen Spielregeln festlegen: gleiche Chancen für alle. Dies bedeutet im Umkehrschluss: klarer Ausbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates. Gusenbauer hat nicht umsonst von der „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ gesprochen. Menschen brauchen Chancen. Und wenn es nötig ist, auch öfter als einmal im Leben.

Es steht für mich außer Zweifel, dass der Staat äußerst ineffizient organisiert ist. Ich will hier nicht noch einmal herunterbeten, was der Rechnungshof in hunderten Vorschlägen auflistet. Alles unter der Prämisse: keine Schwächung der Leistungsfähigkeit des Staates und vor allem keine Schwächung des Sozial- und Wohlfahrtsstaates. Es wäre so einfach. Nur: die bestehenden Systemparteien wollen (und können) es nicht leisten.

Demokratie, Partizipation. Wie am Anfang des Textes beschrieben leben wir in postdemokratischen Zeiten. Die Rückeroberung des Staates bzw. der Institutionen EU ist daher zentrales Element einer neuen, politischen Kraft. Viele, gute Gedanken dazu finden sich im Papier von MeinOE. Grundlegend ist der Ausbau der direktdemokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten, Schaffung eines Persönlichkeitswahlrechtes, sowie die Stärkung des Parlamentes (sowohl auf nationaler, als auch auf EU-Ebene). Wir müssen Demokratie lernen, denn wir haben es verlernt. Oder noch nie gelernt, je nach Perspektive. Dies lernen wir am besten auf lokaler Ebene und mit der Zeit werden wir reif genug für echte Demokratie sein.

Neben der zentralen Frage des Kampfes gegen die Auswüchse des Casino-Kapitalismus braucht es vor allem einen ebenso kompromisslos zu führenden Kampf für Verteilungsgerechtigkeit. Die Argumente bzw. Fakten sind eindeutig. Es ist einfach absurd, dass 1% de facto alles besitzt. Oder besser: Es ist eine bodenlose Sauerei, dass 90% de facto nichts besitzen. Der Kampf um die gerechte Verteilung von Ressourcen und Vermögen ist nichts anderes als der Kampf um gleiche Chancen. Natürlich wird es immer ungleiche Vermögens- und Einkommensverhältnisse geben. Das ist auch per se kein Problem, solange es im Rahmen bleibt. Und diesen Rahmen gilt es zu definieren. Jetzt leben wir in einer Welt, in der „wir“ für die Zinsen der Superreichen arbeiten. Arbeiten wir doch alle gemeinsam besser daran, dass „wir“ alle gleiche Chancen haben. Was man dann daraus macht, ist unser eigenes Bier. Aber die Chancen müssen da sein. Es  braucht aber auch –Überraschung!- eine Rückeroberung des Leistungsbegriffs. Im Moment ist es so, dass sich Leistung nicht lohnt, jedwede Leistung nur in Euro/Dollar messbar ist und vor allem ist keine Leistung am lohnendsten. Nein, da meine ich nicht die armen Wohlstandsverlierer, die auf den Sozialstaat angewiesen sind: ich meine die Erben großer Vermögen und diejenigen, die von Kapitaleinkommen leben können.

Klingt das links? Womöglich. Und nun zurück zum Hausverstand? Kann ich einem Schlosser erklären, dass er bis 65 arbeiten muss, während so mancher Schlosser, weil er halt zufällig bei der ÖBB arbeitet, 10 Jahre früher gehen kann? Nein. Kann ich nicht. Kann ich meinem Vater erklären, warum er als Beamter eine doppelt so hohe Pension hätte, weil sie 80% des Letztgehaltes beträgt? Kann ich mir selbst erklären, warum jed/r von mindestens Eine/n kennt, der/die kaum des Lesens und Schreibens fähig ist und trotzdem einen coolen, saugut bezahlten Job in der Kammer, der Gewerkschaft oder einem staatsnahen Betrieb hat, nur weil er/sie halt das richtige Parteibuch hat? Kann ich jemandem erklären, warum die Kirche Steuerprivilegien besitzt oder einige (adelige) Familien noch immer riesige Grundvermögen besitzen, ohne diese je erworben zu haben? Kann ich nicht. Will ich auch nicht. Aber: All das würde ich gerne ändern. Weil es eine Frage des Hausverstandes ist.

Eine neue Bewegung sollte auch auf die gängige Political Correctness pfeifen, da diese nicht das ist, was sie vorgibt zu sein. Da geht es nicht um Anstand und einen reifen Umgang miteinander. Nein. Sie ist vielmehr ein Unterdrückungsmittel. Sagen was man denkt. Tun wovon man überzeugt ist. Das muss die oberste Maxime unseres Handelns sein.

Da in Österreich der Begriff „links“ negativ besetzt ist –obwohl linke Inhalte populär wie schon lange nicht sind- würde ich einer neuen Bewegung empfehlen darauf im Namen zu verzichten. Ich würde eher zu einer Strategie a la FPÖ raten. Die FPÖ hat einen deutschnationalen Kern, mit dessen Inhalt die Partei wohl kaum mehr als 10% erreichen würde. Also macht die FPÖ auf „soziale Heimatpartei“.  Eine Linke nach europäischem Vorbild in Österreich sollte daher tunlichst einen Namen wählen, der die bestehenden Vorbehalte berücksichtigt.

Wir fassen zusammen: Politik mit Hausverstand.

1)      Gesellschaftspolitisch einfach in der Gegenwart lebend und die Zukunft mitgestalten wollend. Aufgeschlossen, lebensbejahend.

2)      Wirtschaftspolitisch gegen Casinokapitalismus, Konzerkartelle, Wachstumsirrglauben. FÜR eine Stärkung der Realwirtschaft, massive Investitionen in den Wohlfahrtsstaat (BILDUNG, Infrastruktur, Gesundheit), möglichst effizienten Umgang mit Steuermitteln. Gemeinwohlorientiert.

3)      Demokratieerneuerung, Aufbrechen des korrupten Parteiensystems, reformeifrig

4)      Pro-europäisch. Für eine politische, soziale Union der Menschen.

Der Stil sollte jung, frech, entschlossen, anders sein. Die Bewegung sollte unmissverständlich klar machen, was für sie UNVERHANDELBAR ist. Dies würde dazu führen, dass man als Wähler_in sicher sein kann, dass diese Kerngrundsätze bzw. Kernforderung keiner Koalitionsgeilheit geopfert werden kann. Entweder das spielt es oder man ist eben nicht part of the game und kämpft weiter, um die Menschen wieder mit auf den Weg zu nehmen.

Der Typus Politiker_in müsste von dieser Bewegung neu definiert werden. Durch das tägliche Tun. Durch das was man sagt. Authentisch bleiben, Mut zu Fehlern haben, Scheitern als normale Möglichkeit betrachten. Vor allem aber: ich würde nie Teil einer Bewegung sein wollen, die den Kadavergehorsam sprich Klubzwang lebt. In einer Gemeinschaft, die Werte bzw. Überzeugungen teilt, ist man eh meist einer Meinung. Aber: Sind wir doch ehrlich. Nicht einmal in einer Familie sind immer alle einer Meinung. Auch nicht im Freundeskreis. Warum dann in einer Partei? Lernen wir andere sachpolitische Positionierungen innerhalb einer Bewegung doch als Befruchtung , und nicht als Hemmnis zu sehen.

Politik kann und soll auch Spaß machen. Und mit den beschriebenen Inhalten, dem beschriebenen Stil und der Überzeugung, dass es zutiefst notwendig wäre, glaube ich, dass es auch Spaß machen könnte. Besser die Menschen wählen so eine Kraft, als der Protest geht dorthin, wo er zu nichts führt.

So eine Kraft braucht es. Anyone?