Das Herz-Jesu-Kind hat der ÖVP ein Geschenk gemacht: Eugen Freund. „Kosmische Fügung“? Die Wahrscheinlichkeit, dass Othmar Karas die Wahlen zum Europaparlament als Nummer 1 gewinnen wird können ist sehr groß. Vorausgesetzt, die SPÖ kommt nicht noch auf die Idee und zieht Eugen Freund als Spitzenkandidat zurück. Freund ist der erste schwere Schnitzer von Faymanns Alter ego Josef Ostermayer, ein Fehler, der für die SPÖ aber bundespolitisch keine Folgen haben wird. Umgekehrt: auch ein Sieg von Othmar Karas hilft der ÖVP nichts.

Spindelegger wird sich wohl Rückenwind erhoffen, doch selbst ein Lüfterl wäre für jemanden, den seine Parteifreunde sturmreif zum Leichtgewicht geschossen haben, zuviel. Spindelegger ist nur noch auf dem Papier Parteiobmann der ÖVP. Alternativen? Mitterlehner, Mikl-Leitner? Kurz ist zu jung, ist aber der Einzige dem man einen echten Neustart zutrauen kann. Das Problem für Spindelegger: Man kann als Parteichef einer „Groß“-Partei nicht überleben, wenn einem die eigenen Leute bzw. die Wähler_innenschaft nicht zutrauen die Partei als Nummer 1 ins Ziel zu bringen.  Ein Wahlsieg von Othmar Karas ändert in Wahrheit nichts an der tiefen Krise der Volkspartei. Spindeleggers ÖVP steht heute für Retro-Politik. Nicht für coolen Retro-Lifestyle á la „Wickie, Slime and Piper“, sondern für die Art von Retro, die kaum jemand will: Verstaubt, altbacken, von einem leichten Mief begleitet. Die ÖVP, könnte man sie riechen, würde wohl riechen wie eine mit Ölheizung geheizte Wohnung mit Linoleumboden, verstaubten, aber schön gehäkelten Blumentopfdeckchen. Wie bei der Oma, nur ohne sympathische Oma.

Die Bundes-ÖVP versucht den Menschen krampfhaft ein Lebensmodell zu oktroyieren, das mit dem Hier und Jetzt eigentlich nicht kompatibel ist. Dadurch macht man andere Lebensentwürfe schlecht, wertet sie ab und nachdem die überwältigende Mehrheit mit Retro nichts anzzfangen weiß, ist die ÖVP am Weg unter 20 Prozent Wähler_innenanteil. Die Wahlbeteiligung berücksichtig, ist die ÖVP längst deutlich darunter.

Ist die ÖVP ohne Chance? Nein, das ist sie nicht. Ein Parteivorsitzender, der nahtlos die Arbeit der Perspektivengruppe wiederaufnehmen würde, Erneuerung zuließe und die ÖVP in die Gegenwart brächte, hätte mit Sicherheit eine Chance. Nur wem soll dieses Husarenstück gelingen?

Unter Umständen werden wir eine softe Erneuerung am Weg zur Nationalratswahl 2018 erleben. Aber nicht, weil man dies aus der Überzeugung machen würde, dass es notwendig, richtig und der Zukunft der Partei geschuldet wäre. Die heutige ÖVP würde sich nur aus taktischen Gründen erneuern, um die Flanke zu den NEOS kleiner zu machen; zu schließen wird diese nicht mehr sein. Da lauert schon der nächste Trugschluss, denn nur eine echte Erneuerung kann die ÖVP retten. Eine bürgerliche Kraft, die eine heterogene Wähler_innenschaft aus Unternehmer_innen, Beamt_innen, Bauernschaft und Liberalen anzieht, hat mit Sicherheit auch in der Zukunft eine Chance. Da muss diese Partei aber auch nach Zukunft aussehen und nicht nach Vergangenheit.

Im Übrigen muss man sich gar nicht mit der ÖVP beschäftigen, um ihren desaströsen Zustand zu erkennen. Werner Faymann hat ein Ziel: 10 Jahre Bundeskanzler. Damit wäre er nach Kreisky der Kanzler mit der zweitlängsten Amtszeit. Ja, jener Faymann, der, würde man ihn in eine Reihe mit Figl, Raab, Klaus, Kreisky oder Vranitzky stellen, niemals als einer der ihren erkannt, sondern für einen Kellner oder Statisten, der sich aufs Foto verirrt hat, gehalten würde.

Dass Werner Faymann die SPÖ zwei Mal zur stärksten Partei machen konnte und -wie es aussieht- zehn Jahre lang Bundeskanzler sein kann, sagt alles über den Zustand der ÖVP aus.