Die NEOS befinden sich im Höhenflug. Die NEOS sind vereinfacht gesagt  so etwas wie die ÖVP, nur halt gegen Zwangsmitgliedschaft und neuerdings für die Homo-Ehe. Und: Vorsitzender Strolz und seine Mann/Frauschaft vermitteln den Eindruck für Politik zu brennen und eine Art von Vision zu vertreten. Das kommt an. Wenn man genauer hinsieht, sind die NEOS aber nichts anderes als ein weiterer Fürsprecher von Industrie und Finanzwirtschaft. Nur sympathischer und zeitgeistiger halt.

„So was wie die NEOS, nur halt links von der SPÖ, das wär doch was.“ Das höre ich in Diskussion in den letzten Wochen immer öfter. „Ja, eh.“, antworte ich dann.

Es gibt bei den EU-Wahlen eine Plattform, bestehend aus KPÖ, Wandel und Piraten. Wohlwollend ein Versuch dreier links der Mitte stehender Parteien etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, weniger wohlwollend könnte man sarkastisch meinen, es sei ein Austro-Spin-Off der deutschen Reality-Show „The biggest Loser“. Ich seh das wohlwollend.

Was müsste eine neue Linke leisten, damit sie eine echte Chance hätte? Und wie müsste sie agieren, um dauerhaft als Player im politischen Betrieb überleben zu können? Das fragen sich nicht wenige Menschen, denen der offensichtliche Niedergang der SPÖ Sorgen bereitet. Im katastrophalen Zustand der SPÖ findet sich auch schon die erste Antwort: Eine moderne Linkspartei, die sich selbst ernst nehmen will, muss kompromisslos und entschlossen für die Interessen der Lohn- und Einkommenssteuerzahler_innen eintreten und die Herrschaft der Finanzwirtschaft ebenso kompromisslos bekämpfen und deren Einfluss zurückdrängen.

Banken haben den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Banken sollen auf ihr Kerngeschäft reduziert werden: Einlagen annehmen, Kredite vergeben, Zahlungsverkehr sicherstellen.

Natürlich wird es weiterhin zockende Marktteilnehmer und Banken geben. Nur für diese gilt:

Wer mit treuhändig verantwortetem Vermögen spekulieren will, muss dies mit einer hundertprozentigen Eigenkapitaldeckung tun.

Es ist eine der Todsünden der Politik, dass man den Banken erlaubt hat mit treuhändig verantwortetem Vermögen ins Casino zu gehen. Jetzt schreien Liberale wieder: „Verbote sind gaga.“ Stimmt, aber noch einmal liberale Festspiele an den Börsen dieser Welt kann sich der Planet nicht leisten.

Darüber hinaus sind natürlich Aktien und Finanzprodukte mit Umsatzsteuer zu belegen. Die Privilegierung von Finanzprodukten ist ein hanebüchener Unsinn und ist dem großen Einfluss der Finanzlobby geschuldet.

Aktien und Finanzprodukte sollen umsatzsteuerpflichtig werden.

Darüber hinaus ist die staatliche Subventionitis im Finanzbereich einzustellen. Banken bezahlen durch zahllose Steuerprivilegien kaum Steuern auf ihre Gewinne. Während KMUs im Schnitt zwischen 23% und 25% für ihre Gewinne bezahlen, liegt der Satz im Bankenbereich bei weit unter 10%. Noch schlimmer jedoch sind „Null-Risiko-Geschäfte“. Das sind Geschäfte, bei denen Banken z.B. Gemeinden finanzieren oder, Beispiel Griechenland, Staatsanleihen kaufen. Zu hundert Prozent besichert, die Steuerzahler haften eh, da lässt es sich prächtig verdienen. Darüber hinaus gehören Stiftungen abgeschafft oder normaler Besteuerung unterzogen.

Die Zeit, wo Banken nur einstellige Prozentbeträge auf ihren Gewinn an Steuern bezahlt haben, sind endgültig vorbei. Für Banken gilt wie für jede KMU: 25 Prozent.

Die SPÖ bringt uns auch gleich die zweite Antwort: Thema „Gerechtigkeit“. Die SPÖ (und auch die ÖVP) finden es total super, wenn man möglichst hohe Steuern auf Arbeitseinkommen bezahlt. Reich werden ist in Österreich durch Arbeit kaum möglich, reich wird man durch Erbschaft, Spekulation oder durch eine Straftat. Das System hat natürlich immer Ausnahmen parat, die es natürlich auch gibt; diese sind aber in der eindeutigen Minderheit.

Es ist keine Frage von Gerechtigkeit, ob man hohe Vermögen ordentlich besteuert. Es ist eine Frage der Vernunft.

Eine neue Linkspartei müsste daher die vehementeste Verfechterin von niedrigen Steuern auf Arbeitseinkommen werden. Und: Das schließt natürlich damit auch Unternehmer_innen ein, egal ob EPU oder KMU. Wer arbeitet, soll belohnt werden. Wer mehr leistet, kann auch mehr haben als andere.  Nicht Gleichmacherei ist das Ziel, sondern vielmehr der Leistungsgedanke.

Eine neue Linke muss sich den Leistungsbegriff zurückerobern. Leistung ist untrennbar mit Arbeit verbunden und muss privilegiert besteuert werden.

Eine massive Erhöhung von vermögensbezogenen Steuern soll die Entlastung der Leistungseinkommen finanzieren. Österreich ist de facto Schlusslicht bei vermögensbezogenen Steuern in der EU und gleichzeitig de facto Spitzenreiter bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen. Ein Ziel könnte sein:

Wir wollen das Land mit den niedrigsten Steuern auf Arbeit und den höchsten Steuern auf Vermögen aller EU-Staaten werden.

Nur damit wir von der Größenordnung reden: 5 Mrd EUR wäre das Volumen, das frei würde, wenn wir unsere Vermögenssteuern nur auf die Höhe des Durchschnitts aller OECD-Staaten anheben würden. Bei gutem Willen ist daher ein Volumen von 10 Mrd EUR, ohne dass dies jemandem weh tun würde, zu erreichen. Zur Einordnung: Das Gesamtaufkommen für Lohn- und Einkommenssteuer lag 2012 bei 28,5 Mrd EUR.

Das Hautproblem in der Diskussion um Vermögenssteuern sind gar nicht die Super-Reichen oder deren politische Handlanger. Es sind vielmehr die Blockierer und Reformverweigerer, die ahnen lassen, dass jegliche zusätzliche Steuereinnahmen für den Erhalt ihres Systems verwendet werden würden und nicht für eine Entlastung der Steuerzahler_innen.

Wenn ich schreibe, dass sich eine neue Linke auch den Leistungsbegriff zurückerobern muss, dann gilt selbiges auch für den staatlichen Bereich. Eine neue Linke müsste das Credo haben:

Für einen starken Sozialstaat, der mit so geringen Verwaltungskosten wie möglich auskommt.

Wir sind hoffnungslos überverwaltet. Der Rechnungshof listet Einsparungsmöglichkeiten in Milliardenhöhe auf, bloß: Der Politik ist das wurscht. Es würde ja die eigenen Leute treffen. Und damit sind nicht einmal die Wählerklientels gemeint, sondern im wesentlichen der zu versorgende Funktionärsapparat.

Wenn wir schon bei „Sparen“ sind, fallen einem auch gleich die Bundesländer ein. Die Bundesländer als Verwaltungseinheiten sind einfach abzuschaffen. Wir wollen Entscheidungen der Bürger_innen dorthin geben, wo sie leben. Wir wollen, dass die Gemeinden massiv aufgewertet werden. Wenn Bürger_innen die Folgen ihrer eigenen Entscheidungen spüren, werden sie vermehrt am politischen Prozess teilnehmen.

Wir wollen eine Renaissance der Demokratie.

Aufwertung der direkten Demokratie, Schwächung des Funktionärsstaates. Die repräsentative Demokratie mag irgendwo funktionieren, in Österreich ist das Parlament zur verlängerten Werkbank der Regierung verkommen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Es ist kein Zufall, dass Fischer, Cap und Co. die direkte Demokratie fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Nur: Wer manipuliert denn das Staatsvolk durch unfinanzierbare Wahlversprechen seit Jahrzehnten? Jene Gegner direktdemokratischer Elemente, die unserem Staatswesen nur allzu gut tun würden. Und wenn wir schon dabei sind: Die Sozialpartnerschaft können wir gleich auch zu Grabe tragen. Ja, hat eh historische Verdienste, aber auf Dauer ist eine Wohngemeinschaft von zu schlachtendem Kalb und Metzger für das Kalb kein Geschäft.

Politik hat nur einen Zweck: die Lebensgrundlagen aller Menschen zu verbessern.

Unter diesem Gesichtspunkt muss wieder Politik gemacht werden. Es geht um die zentralen Themen Arbeit, Bildung, Wohnen und Gesundheit. Wir wählen Vertreter_innen, damit sie das für uns organisieren. Sie organisieren sich aber nur noch selbst, statt für uns und in unserem Sinne zu agieren.

Wenn Milliarden für Banken alternativlos sein sollen, dann müssen es Milliarden für unsere Zukunft (=Bildung) erst recht sein.

Wie müsste so eine neue Linke agieren? Nun sie müsste aufhören daran zu glauben, dass Linkspopulismus etwas per se Schlechtes ist, sondern ihn als etwas Notwendiges begreifen, als Mittel zum Zweck. Was soll daran unanständig sein, etwa Banken als Feindbild zu nehmen? Was soll vor allem falsch daran sein? Was soll daran falsch sein, lauter zu brüllen, damit man gehört wird? Wenn sich der Gegner 50 Lautsprecher leisten kann, man selbst aber nur einen einzigen zur Verfügung hat, dann muss man ihn auf volle Lautstärke drehen.

 Jede/r Linke ist hipper als jede/r NEOS es nur sein kann. Und das sollte man auch spüren.

Wir dürfen nicht länger über die Zustände jammern, sondern den Esprit versprühen, dass wir es ändern können, ändern wollen und ändern werden.

Ich könnte hunderte Seiten darüber schreiben, wie ich mir Politik vorstelle (mach ich auch gerade). Letzlich würde ich mir von einer neuen Linken hauptsächlich eines wünschen:

Wir müssen Politik aus der Sicht jener machen, die ihre Wohnung nicht heizen können. Aus der Sicht jener, die Angst haben müssen, wenn die Waschmaschine kaputt wird, weil sie sich keine neue leisten können. Aus der Sicht jener, die jeden Tag hart arbeiten und trotzdem nicht in der Lage sind sich selbst und ihrer Familie ein schönes Leben zu bereiten.

Wenn uns dies gelänge, wäre vieles möglich. Nicht alles wäre besser, aber es wäre ein Anfang.