Große Koalitionen haben nur dann eine Berechtigung, wenn sie große Aufgaben erledigen. So lautet einer der eingelernten Stehsätze politischer Kommentatoren. So falsch ist der Satz auch nicht. Eine große Aufgabe war etwa der Beitritt zur Europäischen Union und das damit verbundene, gemeinsame Werben für eine Mehrheit bei der Volksabstimmung. Es gäbe auch heute viele große Aufgaben zu stemmen, bloß: Es passiert das, was ebenso ein Kontinuum großer Koalitionen in Österreich zu sein scheint. Nichts. Es wird nicht einmal versucht zu verbergen, dass hier eine Gemeinschaft der Verwalter am Werk ist, die nicht das geringste Interesse an Gestaltung hat. Im Kern geht es dieser Regierung auch längst nicht mehr um den Abtausch von Interessen der eigenen Klientel, Priorität hat die Sicherung der eigenen Einflussbereiche mit zugehöriger Versorgung des ohnehin dramatisch schrumpfenden Apparates. Machtpolitik hat Politik als Ausdruck des Wollens, einer Vision, eines Gesellschaftsentwurfes abgelöst. Es ist ein Zustand des ständigen Abtauschens von Posten auf Kosten der Bürger_innen, die für Reformunfähigkeit und –unwillen teuer bezahlen müssen. Es ist ein Verwalten im Jetzt. Zukunft ist in Österreich zu etwas geworden, was ohnehin kommt. Etwas Unbeeinflussbares, das keinen unmittelbaren Handlungsbedarf auslöst. Außerdem sollen sich jene um die Zukunft kümmern, die dann halt in der Zukunft das Sagen haben. Jetzt sitzen wir einmal hier und kümmern uns um das Wichtigste: um uns. Das Spiel funktionierte auch prächtig, wenn da nicht lästige Wegbegleiter wie Medien oder Zivilgesellschaft wären. Eh arbeitsscheue Dumpfbacken, Gesindel gleichsam, das nicht in der Lage ist, die Größe der Leistung der Machthabenden zu erkennen und daher folgerichtig zu bejubeln. Man müht sich als Regierung ohnehin ab die Medien zufriedenzustellen, reichen 201 Millionen EUR pro Jahr an Inseratenaufträgen nicht? Reicht es nicht, dass die meisten Medien dieses Landes bis zu 20 Prozent (manche sogar mehr) ihres Inseratenvolumens der öffentlichen Hand zu verdanken haben? Reicht es nicht, dass man deren Existenz rettet, wo bleibt hier die Dankbarkeit, verdammt noch einmal. Was ist die kollektive Sorge, der gesamtgesellschaftliche Leidensdruck durch das Hypo-Desaster im Vergleich zum Strahlen eines Kindes, das voller Dankbarkeit ein „Hey, super geil!“ herausbringt, weil der Kanzler das Mobiltelefon des Kleinen gerettet hat. Das wissen wir dank „Heute“. Yeah, feelings.
Wo wir bei Gefühlen sind. Mein Gefühl sagt mir, und das wird den meisten Menschen, zumindest jenen, die des Denkens willens und mächtig sind, so gehen, dass ich mich dann doch eher verarscht fühle. Ok, Politik kann das Falsche tun. Das kommt vor. Politik kann auch gerne mal das Falsche tun und trotzdem stur behaupten es sei das Richtige. Die fortgesetzte Lüge dieser Regierung, Budgetloch, Hypo, Sparpakete, und so viel mehr, das geht sich aber nicht aus. Als Zwilling gesellt sich zur Lüge Faymannscher Prägung dann auch noch die Verhöhnung. Anders kann man den Umgang mit Öffentlichkeit und Bürger_innen nicht mehr bezeichnen. Doch sind „nur“ Faymann und Spindelegger daran schuld? Nein. Es sind jene, die sie walten und gewähren lassen – egal, ob Pröll oder Häupl. Auch für die mächtigen Landesfürsten gilt: So lange niemand ihren Machtbereich angreift, ist es ihnen sogar egal, wenn die eigene Partei dabei drauf geht. Am Ende aber sind die Wähler_innen in die Verantwortung zu nehmen, denn diese haben auf die Lügen der Regierung wunschgemäß reagiert: Sie haben die Herrschaften gewählt.
ÖVP und SPÖ werden sich nur ändern, wenn sie Macht verlieren. Wenn der unfähige Apparat Angst um seinen Einflussbereich bekommt. Wenn die eigenen Jobs in Gefahr sind. Daher ist es nur zu wünschen, dass beide Parteien bei den kommenden Europa- und Landtagswahlen abgestraft werden. Die Verluste müssen so stark sein, dass es zu einer innerparteilichen Dynamik führt, die am Ende zu so etwas wie Erneuerung führen kann. Innerparteiliche Kritik wird nicht zur Erneuerung führen, im Gegenteil: Das führt zur weiteren Einigelung der jeweiligen Spitzen. Die ökonomische Abhängigkeit vieler kritischer Geister in SPÖ und ÖVP von der Partei sorgt für die notwendige Ruhe. Und Lemminge gehören nicht zu den Helden unserer Zeit. Die NEOS sind der „pain in the ass“ der ÖVP, die soldatische 34er-Treue der kritischen SPÖler verhindert das Entstehen von „linken“ NEOS. Es könnte ja doch noch besser werden, außerdem wäre das ja eh Verrat an Kreisky, wenn man da jetzt was anderes machte. Das Einzige also, was SPÖ und ÖVP zu Erneuerung treiben wird können, ist der Machtverlust bzw. die Angst vor einem Ende von Kuschelkoalition und Sozialpartnerschaft. Der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, ist ein donnernder Wahlsieg der FPÖ bei den kommenden Europa-Wahlen und den Wiener Landtagswahlen 2015 (zu Lasten der SPÖ). Eh grauslich, aber wenn man an die Zukunft des Landes denkt, ein Preis, den man bezahlen kann. Mehr als die Reformunfähigkeit und Feigheit dieser Regierung kann das nicht kosten.
Alles, was zu einem raschen Ende dieser Regierung und zum Aufbrechen der ständestaatlichen Verfasstheit unseres Landes führt, ist besser als more of the same. Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient, sagt man. Diese Regierung haben wir uns nicht verdient.