Faymann ist tot. Diese Einschätzung teilen so gut wie alle Kommentatoren. Der einhellige Tenor: Faymann wird mit der ÖVP keine Steuerreform zusammenbringen, die den Ansprüchen der Basis genügt und gerade in einem Super-Wahljahr wäre das wohl das vorzeitige Aus. Wiens Bürgermeister Häupl kann und wird nicht zulassen wollen, dass Faymann in dieser für die SPÖ zentralen Frage umfällt. Was wird Faymann, der unter allen Umständen Parteichef und Kanzler bleiben will unternehmen, um an der Macht zu bleiben.

In internen SPÖ-Kreisen zirkuliert dieser Tage folgende Variante: Der Kanzler wisse, dass mit der ÖVP Millionärsabgabe, Substanzbesteuerung, Erbschaftssteuer und Co. nicht zu machen sind. Gleichzeitig weiß er, dass die verlorene Glaubwürdigkeit einen „Steuergerechtigkeitswahlkampf“ im Falle von Neuwahlen verunmöglicht,zudem bliebe als einzige Machtoption weiterhin Rot-Schwarz bzw. Schwarz-Rot für die SPÖ übrig.

Der Kanzler will nicht wählen. Was der Kanzler angeblich will: Er will die Einigung mit der ÖVP verschieben und zwar auf die Zeit nach der Wiener Landtagswahl. Man fixiert lediglich Volumen und das Inkrafttreten mit 1.1.2016, an Details werde man nun zügig arbeiten. Folgendes Szenario strebt Faymann, glaubt man gewöhnlich exzellent informierten Kreisen aus seinem Umfeld, an: Bis zur Wien-Wahl wird das Thema Millionärssteuer / Lohnsteuersenkung weiter  zugespitzt, um in Wien ein Ergebnis zwischen 35% und 40% erreichen zu können. Begründet wird das Verschieben der Entscheidung mit dem schwierigen konjunkturellen Umfeld, sich ändernden Prognosen und dass eine gute Lösung ruhig länger dauern könne. Nach der Wien-Wahl setzt Faymann dann alles auf eine Karte. Er will die renitente Wiener SPÖ endgültig unter seine Kontrolle bringen und plant Doris Bures als neue Parteichefin zu installieren. Bures verfügt als Liesingerin über die Unterstützung der anderen Flächenbezirke und damit auch die Mehrheit bei einem Parteitag, so die Überlegung in Faymanns Umfeld.

Mit Inkraftreten 1. Jänner 2016 kommt es dann zur Steuerreform, die keine Substanzbesteuerung, keine Erbschaftssteuer und auch sonst noch kaum Forderungen der SPÖ beinhalten wird. Faymann rechnet zwar mit gewaltigem Widerstand aus den eigenen Reihen,  hofft aber, dass die neue Führung der Wiener SPÖ, die dann ja von seiner Vertrauten Bures geleitet werden soll, ihm die Mauer macht und er den Kompromiss, der ihm die Kanzlerschaft noch bis 2018 sichern soll, überlebt.

Ein Plan, der dem stets auf Kompromiss bedachten Faymann zuzutrauen ist. Ob er so aufgehen wird bzw. kann, darf bezweifelt werden.