„Was wünscht Du Dir eigentlich zu Weihnachten?“ – Jeder von uns kennt diese Frage, oder? Und viele von uns finden nicht einmal eine Antwort darauf. „Hab eh alles, was ich brauche, aber lieb von Dir, dass Du fragst!“, pflege ich zu antworten. Andere wiederum können keine eindeutige Antwort geben, weil sie nicht einmal wissen, was sie zuerst benötigen. Hunderttausende Menschen können ihre Wohnungen nicht heizen und sitzen mit Annorak und Pulli in der Wohnung. Zwei Welten. Ein Land. Dieses Land ist Österreich.
Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Trotzdem gibt es Armut. „Es geht uns ja noch besser als den meisten.“ Ja, stimmt. Und?
Was wünscht man sich, wenn man alles hat? Gesundheit, sagen dann viele. Schon bin ich bei meinem Freund Kurt Kuch, der einen Kampf um sein Leben führt. Was bringen all die materiellen Güter, „man kann sie ja nicht mitnehmen“, wie man bei uns in der Steiermark so schön sagt. Weihnachten ist Einkehr. Und so denke ich dieser Tage an jene, denen es schlechter geht als mir, frage mich, warum das so ist und sein darf.
„Reicher Mann und armer Mann, standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich.“, schrieb schon Brecht. Natürlich meinte er das im klassenkämpferischen Sinne, aber lassen wir den Satz einmal so stehen. Wir leben in einer Welt in der alles im Überfluss vorhanden ist. Man muss Jean Ziegler nicht mögen, aber die Fakten sind erdrückend. Es mangelt uns an nichts und trotzdem verhungern im Minutentakt Menschen. Keine Sorge, will nicht sozialromatisch sein. Aber es muss einen Grund haben, warum das so ist. Und der Grund sind wir selbst.
Ich sitze in meinem Landhaus im Waldviertel. Weihrauch am Herd, Weihnachtslieder tönen aus den Lautsprechern. Sonos-Boxen, die mir Kurt Kuch empfohlen hat. Man freut sich über ein gutes Essen, heitere Momente, Gespräche. Die Probleme haben hier nichts verloren.
Alle sind wir gegen Kinderarbeit und konsumieren Produkte, die mit ziemlicher Sicherheit von verletzlichen Händen Kleiner bearbeitet wurden. Gegen die Ausbeutung von Menschen in der dritten Welt sind wir natürlich auch. Und konsumieren Dinge, die diese Ausbeutung fördern. Auch ich. Jeder von uns. Fast jeder von uns.
Ich werde wieder mal wütend. Viel braucht es dazu ja nicht. Es reicht ja, wenn man sich Nachrichten ansieht. Es wird berichtet, dass A etwas sagt, dass B schlecht findet. Und C weiß alles besser. Ich wäre oft der C, glaube ich. „Das kann ja nicht so schwer sein.“
In dieser Blase in der wir leben, heute nennen wir sie Twitter, diskutieren wir den ganzen Tag unwichtige Scheiße. Wann wählt Wien, wer setzt sich wo durch, wie wirkt sich der Notariatsakt bezüglich des Wiener Wahlrechtes aus, der Y hat im Vertrauensindex eingebüßt und wird D bei ihrer neuen Zeitung eigentlich glücklich und kann die Zeitung W diesen Abgang kompensieren? Und außerdem hat E mit der F geschnackselt, obwohl E ja mit der G verheiratet ist. Wobei Schnackseln wenigstens eine gewisse Wichtigkeit hat.
Wir wählen Politiker, damit sie unser Geld verwalten und in unserem Sinne Entscheidungen treffen, unser Zusammenleben organisieren bzw. einen Rahmen dafür schaffen. Und was wollen wir, so ferne es dieses Wir überhaupt gibt?
Ich glaube, dass Wir nicht viel wollen. Leistbaren Lebensraum, Bildungschancen, eine Absicherung fürs Alter, eine sorgenfreie Zukunft für unsere Kinder, keine Angst haben müssen vor der Pflegebedürftigkeit, funktionierendes Gesundheitssystem für Alle und ein soziales Netz, das uns in Krisenzeiten auffängt und trampolinartig wieder zurück in ein Leben mit Arbeit schießen kann.
Ich bin überzeugt davon, dass wir dafür genügend Geld zur Verfügung stellen, ja, wir stellen sogar viel mehr Geld dafür zur Verfügung als es bräuchte. Nur versickert einfach vieles davon. Oftmals auch, weil sich eben diese Politiker nicht mehr um die Vertretung unserer Interessen, sondern nur um ihre eigenen Interessen kümmern. Diese Kluft ist entstanden und sie wird immer größer.
Wenn ich mir etwas wünschen könnten, dann wünschte ich mir, dass die Politik endlich zur Vernunft käme und sich wieder um ihre ureigenen Aufgaben kümmern würde. Nämlich das, was wir uns wünschen würden, zu berücksichtigen und sicherzustellen. Damit das gelingt, müsste sie sich selbst nicht nur hinterfragen, sondern verschlanken, die gewachsenen Systeme und Pfründe zurückbauen.
Wir sind mitten in einem Verteilungskampf, werden aber durch das ständige Gelddrucken noch etwas sediert, die harten Einschnitte kommen erst. Ich habe die Befürchtung, dass die politische Klasse hier nicht unsere Interessen vertreten wird, sondern wieder einmal ihre eigenen.
Im übrigen ist mir völlig egal, ob mir das Christkind oder der Weihnachtsmann diesen Wunsch erfüllte, wissend, dass beide am Salzamt wohnen.
Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssten wir das wohl selbst tun. Aber das wäre ja ein Schritt aus der Komfortzone. Also sind wir wieder mal selbst schuld.
Frohe Weihnachten.
(Coverpic von ronnytoons.at)