„Schützt doch nicht die Falschen!“, schreibt mein Freund Michel Reimon auf seinem Blog.
Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, sekundiert auf Facebook:
Nun, ich bin ein wenig verwundert.
Julia Herrs Partei beabsichtigt (gemeinsam mit der ÖVP) mit dem Staatsschutzgesetz die demokratische Kontrolle des BVT abzuschaffen und eine Stasi 2.0 zu etablieren, die sich so mancher Diktator in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte. Dazu höre ich nichts. Der Fokus auf die „millionenschweren SteuerbetrügerInnen“ verdeckt den Blick auf die Realität dann doch ziemlich. Es ist wohl einer gewissen Ahnungslosigkeit geschuldet, wenn man ernsthaft glaubt, das man durch Kontenöffnungen ohne richterlichen Beschluss diesen „millionenschweren SteuerbetrügerInnen“ auf die Schliche kommen könnte.
Worum geht es beim vorliegenden Paket.
Die Einrichtung eines zentralen Kontoregisters. In diesem Register werden alle Konten (von Unternehmen genauso wie von Privaten) aufgelistet. Es werden in dieses Register die Kontoart, Kontonummer und die Verfügungsberechtigten gespeichert, jedoch KEINE Kontostände. Der/die Betroffene muss sofort über die Einsicht der Behörde in das Kontoregister informiert werden, eine Einsicht in das Kontoregister bewirkt KEINE automatische Kontoöffnung.
Ich habe damit kein Problem, das begrüße ich, das erleichtert vieles.
Der wirkliche Hammer ist jedoch, dass in einem weiteren Schritt Konten ohne richterlichen Beschluss geöffnet werden sollen. Nach Gutdünken, Lust und Laune, entscheiden Beamte bei „begründetem Verdacht“ das Konto zu öffnen. Das kann und darf man nicht zulassen, da es ein elementares Grundrecht verletzt.
Wenn man nun gegen diesen Schwachsinn eintritt, so schützt man nicht die Falschen, wie Michel schreibt, sondern man schützt die Richtigen, weil der vorliegenden Entwurf die Falschen und nicht die Richtigen trifft.
Die Richtigen, wenn man diesen Terminus verwenden will, erwischt man sowieso nicht. Kann man auch nicht, bei der vorliegenden Gesetzeslage.
Nur ein Beispiel: Das Vermögen der Familien Porsche und Piech wuchs innerhalb eines Jahres um rund 20 Milliarden EUR an, d.h. eine Familie legt um eine ganze Hypo an Vermögen zu. In einem Jahr. Not bad, oder?
Natürlich haben diese Familien das Geld nicht hinterzogen, aber sie zahlen für den Vermögenszuwachs weit weniger Steuern als der „normale“, „richtige“ Arbeiter oder Unternehmer für sein Arbeitseinkommen.
Und damit zum Punkt: Wir leben in einem Staat, der seine Bürger bespitzelt, der mit Steuergeld fahrlässig umgeht und Milliarden versenkt. Wir leben in einem Staat, der nicht in der Lage ist unser Staatsgefüge effizient zu gestalten, um so den Sozialstaat bewahren zu können. Wir leben in einem Staat, in dem es nicht möglich ist seine Menschenrechte wahrzunehmen, in einem Staat, der uns sogar Grundrechte nimmt und/oder weiter abbaut. Wir leben in einem Staat, in dem sich die politische Klasse längst in ihre eigene Realität verabschiedet hat und nicht mehr die Interessen des Souveräns vertritt.
Wir leben in einem Staat, der uns ständig auf den Kopf scheißt und gleichzeitig unsere Solidarität, Ehrlichkeit und Steuermoral verlangt.
Die Wahrheit ist: So ein Staat sollte bekämpft und nicht unterstützt werden.
LANGES P.S.
Weil immer wieder gesagt wird, dass es ja unfair sei, dass man von Angestellten die Gehälter genau kenne, aber bei Unternehmern nicht und dass das neue Gesetz hier für Gleichheit sorgen solle. Zahlt allen Angestellten dieses Landes ihre Bruttogehälter zuzüglich Dienstgeberkosten aus und lasst die Angestellten alle Steuern und Abgaben selbst abführen. Dann wäre Feuer am Dach, denn dann würden die Menschen alle einmal am eigenen Beispiel erleben, wie es uns Unternehmern schon ein Leben lang geht. Das Erleben der eigenen Steuerlast ist nicht schön, aber es würde den Menschen endlich die Augen öffnen. Ich habe kein Problem (hohe) Steuern zu zahlen, wenn
1) Die Abgabenquote, also der Anteil, den mir der Staat wegnimmt, in einem akzeptablen Rahmen bleibt
2) unser Steuergeld sinnvoll eingesetzt wird. (Remember Hypo, Parteienfinanzierung, Beamten- und Sonderpensionen, Bankenrettung, Spitalsbettenexzesse, Verwaltungsorgien)