Bevor die Regierung ihren alle Jahreszeiten umfassenden Winterschlaf bis zum regulären Wahltermin 2018 fortsetzen kann, kommen noch Bundespräsidentschaftswahlen auf uns zu.

Imgard Griss hat sich als erste Kandidatin deklariert, auch wenn sie das „Warum tun Sie das?“ nicht wirklich beantworten konnte. Da eine gesicherte Finanzierung und eine gewisse logistische Schlagkraft unabdingbar für eine erfolgreiche Kandidatur sind, kann man sich fragen: Warum jetzt? Oder sagt sie dem p.t. Volk nicht die Wahrheit? Es ist davon auszugehen, dass sie schlichtweg eine falsche Entscheidung getroffen hat. Ob es ihre Chancen nachhaltig schmälert, wird man erst sehen.

Vier Männer werden genannt, wenn es um eine Kandidatur geht: Sozialminister Hundstorfer, Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll, der ehemalige Grünen-Chef Alexander van der Bellen und Rechnungshof-Chef Moser.

Es gibt einige Aussagen, die eine Kandidatur wahrscheinlich machen, aber ein gewisses Zögern kann man mit freiem Auge schon erkennen.

Alexander van der Bellen hat wohl nicht zufällig seine Biografie auf den Markt geworfen, es wäre ein eher seltsamer Zufall. Er will, aber er will kein Zählkandidat sein. Er ist Profi genug, um zu wissen, dass Geld und Struktur vorhanden sein müssen. Es ist davon auszugehen, dass im Hintergrund zahlreiche Gespräche geführt werden. Meine Einschätzung: Wenn er antritt, ist er unter allen bisher genannten der Favorit.

Und das ist relativ einfach zu erklären: Wir gehen von einem Szenario mit einer Stichwahl aus. Sowohl gegen Pröll als auch gegen Hundstorfer würde van der Bellen wohl die jeweils andere Reichshälfte für sich gewinnen können. Ein Roter wählt lieber van der Bellen als Pröll, ein Schwarzer wählt lieber van der Bellen als Hundstorfer.

Das wissen die Strategen in ÖVP und SPÖ auch, und das erklärt auch das Zögern. Bei Erwin Pröll kommt noch ein Faktor dazu, der auch für Hundstorfer gilt. Landeshauptmann bzw. Sozialminister sind 24-Stunden-Jobs. Da kann man einen Wahlkampf nicht nebenbei schupfen. Sie müssten ihre Jobs aufgeben, und dann könnte z.B. im Falle Erwin Prölls Folgendes passieren: Der mächtigste Mann der ÖVP, unumstrittener Herrscher Niederösterreichs, legt sein Amt zurück und würde seine politische Karriere im Falle einer Stichwahl mit einer Niederlage beenden. Ist das dem Ego von Erwin Pröll zuzumuten? Will er sein politisches Leben so beendet wissen? I doubt that.

Bei Hundstorfer sieht es ählich aus. Nach einer Niederlage wird die Pension als Szenario wahrscheinlicher als die Rückkehr in die Bundesregierung. Außerdem wird der Sozialminister für fast jeden Job, von Kanzler bis Bürgermeister Wiens genannt, den die SPÖ zu vergeben hat. Das für eine Niederlage aufgeben?

Eine Kandidatur kostet Geld. Wozu Geld in den Sand setzen, nur um „einen Kandidaten“ zu stellen? In der SPÖ gab es vor der unüberlegten Quasi-Festlegung Faymanns auf Hundstorfer durchaus Kreise, die mit einer Unterstützung von van der Bellen geliebäugelt haben und noch immer liebäugeln. Argument: Da ist man beim Sieger dabei und spart sich im Vergleich zu einer eigenständigen Kandidatur noch ziemlich viel Geld.

Selbiges wird sich die ÖVP auch denken, wenn es etwa um Irmgard Griss geht. Es ist alles nicht so einfach.

Meiner Einschätzung nach hätten in einer Stichwahl weder Pröll noch Hundstorfer Chancen gegen van der Bellen. Irmgrad Griss könnte hingegen mehr als eine Zählkandidatin sein, so sie die Unterstützung einer der beiden „Groß“-Parteien erhält. Die von Neos und Hans-Peter Haselsteiner dürfte ihr ohnehin gewiss sein.

Hundstorfer ist für viele ein Apparatschik, die Gewerkschaft würde wohl für ihren Rudi laufen, auch die Partei, aber sonst kaum jemand. Erwin Pröll ostlastig und im Westen nicht zu verkaufen. Außerdem ist Pröll so schwarz, dass er für alle anderen kaum wählbar erscheint.

Van der Bellen hat das Potential, bei Jungen zur Kultfigur zu werden, so wie Karel Schwarzenberg in Tschechien. Die Jugend mag alte Männer, die irgendwie schrullig und g’scheit sind.

Was also tun?

Wenn ÖVP und SPÖ ernsthaft daran denken, einen Sieg van der Bellens zu verhindern, dann gibt’s aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten. Und beide halte ich für nicht rasend wahrscheinlich.

Variante 1: Man unterstützt Irmgard Griss. SPÖ (eher nicht) oder ÖVP (nur, wenn Pröll nicht will und die Partei Leitl, Kopf oder Karas nicht lässt) oder beide (never) unterstützen die Hypo-Heldin. Die Krone wäre mit dabei. Erste Frau an der Spitze des Staates, unabhängig, man gäbe dem Volk ein Ventil

Variante 2: ÖVP und SPÖ bieten Granden an, die wählbar sind und das Potenzial haben, auch über eigene Parteigrenzen hinweg, Menschen für sich gewinnen zu können.

Wer könnte so jemand sein? Die SPÖ würde diese Wahl mit einem Kaliber wie Franz Vranitzky gewinnen, ohne Zweifel. Auch Rudi Scholten wäre vom Format, das es braucht, um dieses Land würdig zu repräsentieren und ihm moralisches Rüstzeug zu verpassen. Beide werden kaum wollen. Aber es gibt sie. Soll keiner sagen, dass die SPÖ niemanden anzubieten hätte.

Bei der ÖVP wäre es wohl die Kategorie Franz Fischler. Ehemaliger EU-Kommissar, international noch immer bestens vernetzt, sympathischer, leutseliger Tiroler, der bei den Menschen gut ankommt. Warum niemand an Franz Fiedler denkt, das frag ich mich eigentlich auch.

So wie sich die Sachlage zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, zögern zwar viele, aber es kommt nur auf eine einzige Entscheidung an: Wenn es van der Bellen macht, dann wird er gewinnen.

Außer SPÖ und ÖVP entscheiden sich für eine der beiden Varianten. Aber seit wann hören die auf mich?