Es wird Zeit, Genossen! 

Die Wahl ist geschlagen. Die Rechnung wurde präsentiert. Das Undenkbare ist Realität geworden. Ein weithin unbekannter und adrett wirkender Burschenschafter aus dem Burgenland fährt einen Wahlsieg ein und ist nahe dran, unser neuer Bundespräsident zu werden.

Schockstarre

innerhalb der SPÖ ob der Schmach. Aufkeimende Ängste, dass die unwidersprochen großen Errungenschaften der Ära Kreisky nur mehr in Geschichtsbüchern im Sinne einer längst vergessenen, guten alten Zeit aufscheinen. Nein, keineswegs! Faymann und sein in Machterhalt einbetoniertes Team bleiben nicht nur untätig, sondern bereiten durch diese Haltung den weiteren Nährboden für Unzufriedenheit und einen weiteren Rechtsruck im Land auf.

Es waren die eigenen politischen Mütter und Väter, welche in den letzten Jahrzehnten gegen viele Widerstände und mit dem Einsatz ihres eigenen Lebens für eine gerechte und vor allem demokratische Politik in diesem Land gekämpft haben. Unzählige charismatische, mutige Menschen, die sich trotz schmerzhafter Repressalien für Gerechtigkeit und Chancengleichheit einsetzten. Frauen und Männer, die sich abseits ihrer Vorteile für eine bessere Zukunft einsetzten.

Und nun? Wo ist diese humanistische Bewegung geblieben und was wurde aus ihr gemacht? Im Gängelband einer sich selbst einzementierten Riege kauert sie dahin – die einstige Kraft einer sozialen und fortschrittlich denkenden Bewegung. Sie krallt sich tief in entscheidende Machtpositionen und hat keine Scheu mehr, sich mit dem einst ausgerufenen Feind ins Bett zu legen und kollaboriert zum Zweck des Machterhalts. Sie unterwandert jeglichen Fortschritt und Idealismus einer offensichtlich längst vergangenen Zeit und denunziert die Erfolge mühsam erkämpfter Errungenschaften. Der Dirigent wedelt mit seinem Taktstock, während das Orchester längst zynisch und herzlos erklingt, bis es komplett verstummt.

Es gibt sie noch.

Aber, es gibt sie noch! Die Menschen, die sich an vergangene Zeiten erinnern. Es gibt sie noch, die Sozialdemokratie, die sich nicht nur um Machterhalt und persönliche Pfründe kümmert. Nicht exponiert, nicht in Machtpositionen und auch nicht auf den Who-is-Who-Listen des medialen Boulevards zu finden. Aber es gibt sie noch, die einstigen Vordenker. Sie hatten andere Ziele und leiden unter gleicher Farbe mit Scham in ihren Gesichtern ob des Ausverkaufs der einstigen Ideale in ihren eigenen Reihen.

Es ist nicht fair, in offenen Wunden zu rühren. Es ist nicht sinnvoll, mit erhobenem Zeigefinger zu deuten. Bitten aber sollte man dürfen. Politik ist mehr als Parteipolitik. Nun, ich bitte Euch. Euch, die wahren Weggefährten der Sozialdemokratie. Ich bitte darum, dass Ihr Euch erhebt und eine für den sozialen Ausgleich und unsere Demokratie wichtige Bewegung nicht einfach den Zerstörern in Euren eigenen Reihen überlasst.

Nehmt das Ruder in die Hand

und macht wieder eine Politik für die Schwachen in unserer Gesellschaft. Überlasst es nicht den ewiggestrigen und angstschürenden Demagogen. Überlasst es nicht den falschen Zielsetzungen in den „eigenen“ Reihen. Und ja, beweist uns, dass Ihr für die Schwachen unter uns ein Sprachrohr seid. Ihr seid gefragter denn je gegen einen sich immer stärker manifestierten Rechtsruck in diesem Land. Versammelt Euch wieder unter den Euren und verbündet Euch wieder mit Gleichgesinnten und nicht mit den Wölfen im Schafspelz. Holt Euch Eure Farbe wieder und verleiht sie an Vernunft und Demokratie!

Die Zeit ist reif, Genossen! Mehr als reif!

Dieser Gastbeitrag wurde von meinem langjährigen Weggefährten und Partner Michael Gitzi verfasst, den ich seit Jahren schätze. Einer von vielen, die Politik nicht auf ein Parteibuch reduzieren, und sich auch nicht scheuen, politische Position zu beziehen. Auf Twitter zu finden unter twitter.com/mgitzi