Die Neos haben leicht zugelegt, einige haben sich mehr erwartet. Schließlich hat man gedacht, dass Irmgard Griss einige zusätzliche Wähler bringen würde. Und man dachte, dass der deutliche Rechtsruck der ÖVP wohl liberale ÖVP-WählerInnen zu den NEOS treiben würde.

Das ist eine Lesart, die man teilen kann.  Ich teile sie nicht.

Das Ergebnis der NEOS ist angesichts der Umstände wirklich gut. Der Wunsch nach Veränderung wurde offensichtlich von Kurz am besten repräsentiert, viele NEOS-WählerInnen folgten seinem Ruf. Was ja auch nur verständlich ist, waren sie doch davor ÖVP-WählerInnen. Dass eine erneuerte ÖVP, egal, ob kosmetisch oder faktisch, zur Herausforderung für die NEOS werden würde, war allen Beobachtern und wohl auch den NEOS-Granden klar.

Die NEOS haben einen fehlerfreien Wahlkampf geführt, Strolz selbst hat in Duellen und Runden solide in der ihm eigenen Art abgeliefert. Griss war gegen Hofer etwas unglücklich, aber was solls.

Die NEOS haben die Grünen für viele als „kleinstes Übel“ abgelöst. „Die wollen wenigstens was“, „sind nicht gefährlich“, „sind ok“. So oder so ähnlich konnten sie doch viele Menschen von einer Stimme für die NEOS überzeugen. Strolz führt nun die größte der kleinen Oppositionsparteien an und kann bei Schwarz-Blau wohl noch deutlicher akzentuieren, dass die NEOS die erste Adresse für bürgerliche Wählerschaften sind, die ein Problem haben mit der Methode, Flüchtlinge und Migranten für alle Probleme des Landes (mit)-verantwortlich zu machen.

Die wirkliche Prüfung folgt nun bei den kommenden Landtagswahlen. In Niederösterreich sind die Chancen wohl sehr übersichtlich, in Tirol und Salzburg ist ein Einzug machbar. Vor allem in Salzburg, denn Sepp Schellhorn ist ein Ur-Viech und eine echte Waffe.

Gerade, wenn es im Bund eine schwarz-blaue Koalition geben sollte, die wohl reaktionär-konservativ agieren würde, haben die NEOS große Chancen, ihren WählerInnenanteil weiter auszubauen. Liberale Politik ist ein offensichtliches Gegenkonzept gegen nationalistische Verzwergung und verzopfte Gesellschaftspolitik.

Für die NEOS auch gut: Es hängt nicht mehr alles nur an Matthias Strolz allein. Er muss nicht mehr zu jedem Thema Stellung nehmen, kann sich rarer machen und so seine Marke stärken. Griss und Schellhorn können ihn deutlich entlasten, wenn es sein Ego zulässt. Was ihm und den NEOS übrigens zu wünschen ist.

Die NEOS können eine neue Regierung in Reformbereichen vor sich her treiben. Kurz hat Veränderung versprochen, Strolz und Co. werden ihn jeden Tag daran erinnern. Von Kammern bis zur Sozialversicherung, vom Frauenpensionsalter bis zum Föderalismus.

Das kann schon Spaß machen in der Opposition. Natürlich sind die NEOS von Schwarz-Blau heiß umworbener Player, wenn es um 2/3-Materien geht. Hier sollten die NEOS wirklich höllisch aufpassen, um nicht als Komplize gesehen zu werden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Ablehnung von FPÖ-Politik bei den NEOS wohl in ähnlichem Ausmaß vorhanden ist wie bei den Grünen.

Strolz hat einen langen Marsch durch die Institutionen angekündigt und liegt jetzt wohl unter Plan. Das liegt aber wohl mehr an äußeren Umständen als an Strolz und Co. selbst. Gegen Mitterlehner wäre wohl für die NEOS ein Ergebnis nahe der Zweistelligkeit möglich gewesen.

Man kann nur hoffen, dass Beate Meinl-Reisinger ihr Mandat im Nationalrat nicht annimmt, sondern in Wien bleibt. Denn dort gibt es nach der Implosion der Grünen viele Stimmen für die NEOS zu holen. Je früher man damit beginnt, desto besser. Das geht aber nicht mit 08/15-Kandidaten, sondern dafür braucht es die durchaus talentierte Meinl-Reisinger.

Summa summarum: Hätte besser laufen können, hätte aber auch dort enden können, wo es für die Grünen geendet hat. Nämlich draußen. Besser im Parlament Flügel heben, als aus dem Parlament fliegen.

Die langfristige Frage bleibt trotzdem unbeantwortet: Wie sollen die NEOS von einer Kleinpartei zu einer Mittelpartei werden? Geht das überhaupt? Ich denke, dass es nicht geht und man sich lieber der Zuspitzung bedient. Akzeptiert, dass 8 bis 10% der Plafond sind, denn man erreichen kann, wenn alles mitspielt.

Und das ist nicht mal schlecht. Schön, dass es nach wie vor eine liberale Stimme im Parlament gibt. Ob sie gehört wird, hängt an den NEOS selbst.