Ein Plädoyer für Re-Sozialdemokratisierung, Öffnung und Direktwahl
Die aktuellen Querelen sind nur Symptome, die Ursachen der Probleme der Sozialdemokratie liegen viel tiefer.
Seit Jahrzehnten drückt sich die Partei vor der Klärung inhaltlicher Fragen, sie flüchtet sich in Nebenschauplätze meist gesellschaftspolitischer Natur und hat ihren eigentlichen Kernauftrag vergessen: das Leben der Menschen zu verbessern, eine Gesellschaft zu formen, in der wir miteinander und füreinander leben, es halbwegs gerecht zu geht, man sich etwas aufbauen kann und Chancen fair verteilt sind.
Die SPÖ streitet, getrieben von einigen stabilen Zirkeln und Partien. Sie streitet aber nicht um Inhalte, es geht seit Jahrzehnten nur um Befindlichkeiten. Das ist der Ernsthaftigkeit der Aufgabe nicht würdig.
Wenn die SPÖ eine Zukunft haben will, dann muss sie die inhaltliche Klärung herbeiführen und dann geeint marschieren. Die sozialdemokratischen Inhalte werden ohnehin Zukunft haben, egal, ob es eine SPÖ gibt und in welcher Stärke es sie gibt.
Die SPÖ drückt sich um die wirklich wichtigen Debatten. Entweder man ist der Meinung, dass man von seiner Arbeit leben können MUSS und damit für den gesetzlichen Mindestlohn als Untergrenze oder man ist dagegen, weil man der Gewerkschaft nachgeben will, die sich hier jedoch wirklich verirrt hat. Entweder man ist für Transparenz und Anti-Korruption (ja, das betrifft nun mal die Wiener Inseratenfolklore auch) oder dagegen. Entweder man ist für Leistung oder Glück und da sind wir nun mal beim radikalen Umbau des Steuersystems oder man ist dagegen. Entweder man ist für eine klare Linie in der Migrationspolitik und da ist man nun mal bei der Neuregelung der Arbeitsmigration und klaren, nachvollziehbaren, schnell exekutierbaren Regeln im Asylbereich oder man will weitermachen mit dem Schweigen. Entweder man ist für Klimaschutz und Energiewende oder redet nur davon. Entweder man ist für einen Umbau der Landwirtschaft und nimmt Tierwohl ernst oder man redet weiterhin vom Schnitzel, das sich jeder leisten können muss. Entweder man ist für deinen parteifreien ORF, eine Neugestaltung der Parteien- und Presseförderung oder für ein weiter so. Entweder man ist für eine wirkliche Bundesstaatsreform und eine Neuregelung der Kompetenzen der Bundesländer oder nicht. So viele Fragen sind ungeklärt. Weil es dieser SPÖ zu lange schon nicht um Inhalte geht.
Liebe SPÖ, stell Dich dieser Debatte. Und nutze sie, um diese Debatten öffentlich in geeigneten Formaten auszutragen. Nicht in den Hinterzimmern, egal, ob diese in der Löwelstraße (nicht mehr lange) sind oder in Liesing oder sonst wo.
Die SPÖ hat hunderttausende Mitglieder und Wähler:innen verloren, könnte schon was mit der Partei zu tun haben. Die SPÖ muss sich öffnen, und dazu gehört auch echte Demokratie und Mitbestimmung. Ein erster Schritt muss daher eine Ur-Abstimmung unter allen Mitgliedern über die Inhalte sein, die in einer transparenten, lustvollen Debatte mit Expert:innen auch von außerhalb diskutiert werden müssen. Am Ende steht dann die Abstimmung. Und ebenso sollten Personalfragen wie jene der Kanzlerkandidatur oder des Parteivorsitzes nicht mehr in Hinterzimmern und auf Basis von Intrigen und/oder Ränkespielen geklärt werden, sondern in einem transparenten Wettbewerb auf offener Bühne und gewählt von allen Mitgliedern. Es braucht nur Mut, Lust und Entschlossenheit. Der fehlt dieser Partei an allen Ecken und Enden.
Sei mutig!