Ich habe einen kurzen Beitrag über das kommunikative Versagen der Bundesregierung beim Thema Obergrenze geschrieben.

Olivera Stajic fragt mich auf Twitter, welche Strategie denn Strache nicht in die Hände gespielt hätte. Das ist eine spannende Frage. Die folgende Antwort tippe ich jetzt aus dem Bauch heraus, es ist ja keine „echte“ Kundenberatung, für die ich Geld bekomme und wo man ein „echtes“ Konzept ausarbeitet. Aber ich will zeigen, dass man mit Hausverstand und Gspür relativ schnell und unkompliziert eine Strategie entwickeln kann, die mit Sicherheit besser funktionieren würde, als die Strategie der Bundesregierung, und dass obwohl diese Berater um nicht wenig Steuergeld beschäftigt.

Ich beginne zu schreiben und es ist jetzt 19:45 Uhr.

Also: Folgendes hätte ich im JETZT, also in den letzten paar Wochen empfohlen. In einem anderen Szenario würde ich mich mit einer längerfristigen Strategie beschäftigen, die man schon vor Jahren beginnen hätte sollen, um die fröhliche Urständ feiernde Fremdenfeindlichkeit in den Griff zu bekommen.

Wir sehen eine Uneinigkeit in der EU, haben die FPÖ in den Umfragen klar vorne und die Meldungen rund um die Probleme mit Flüchtlingen werden nicht weniger. Bevor man überlegt, wie man etwas kommuniziert sollte man sich überlegen, was man kommunizieren will und welche Strategie man verfolgt.

Wir gehen in diesem Szenario davon aus, dass es auf EU-Ebene weiterhin wenig Bewegung geben wird, die Einrichtung der Hotspots ebenso dauern wird wie die Schaffung der notwendigen Kapazitäten zur Unterbringung der Flüchtlinge.

1. Das Problem KLEIN machen

Die gesamte Flüchtlingschose ist für alle eine große Aufgabe, der finanzielle Aufwand dafür ist aber relativ überschaubar. Ich würde als Vergleichswert die Hypo nehmen oder in etwa die Aufwendungen für die ÖBB, das sind schön plakative Beispiele. Die wirklichen Herausforderungen heißen für Österreich Pensionen, Gesundheitssystem, Bildung und nicht das Flüchtlingsthema. Das muss Politik klar kommunizieren.  Da kann man schöne Grafiken produzieren und zeigen, dass es hier in Wahrheit um nix geht.

2. Menschlichkeit wecken

Bei Kindern und Hundsis hört sich der Spaß für die härtesten Menschen auf. Wir erinnen uns an die Bilder des kleinen Buben am Strand. Das hat jedem das Herz gebrochen. Mit „jungen, kräftigen Männern“ hat keiner Mitleid, mit Kindern immer. In einer Medienstrategie ist daher viel mit Kindern und Bilder von Kindern zu arbeiten, es sind Kinder in Flüchtlingsheimen zu zeigen etc.

3. Die zeitliche Befristung klar machen

„Wir sind sehr gerne Gastland und kümmern uns um Euch, bis Ihr wieder in Eure Heimat zurückkönnt.“ Es kann kein wahnsinnig großes Problem sein mit Flüchtlingen zu arbeiten, die sagen, dass sie es kaum erwarten können ihre Heimat wieder aufbauen zu können. Die nur auf das Ende des Krieges warten. Jede Sekunde, die man nicht daheim ist, tue einem weh, man könne jetzt dort nicht leben, wegen des IS und des Assad-Regimes, aber sobald die Lage wieder normal sei, wolle man zurück. Durch geschickte PR- und Medienmaßnahmen kann man dieses Bild erzeugen.

4. Leadership zeigen

In der EU geht nichts weiter. Ich würde Kanzler und Außenminister empfehlen aktive Politik zu machen, d.h. z.B.

– Einladung zu einer Flüchtlingskonferenz nach Wien
– Enge Abstimmung mit Nachbarstaaten zur Umsetzung einer gemeinsamen Strategie- Kanzler / Außenminister sollten aktiv EU-Hauptstäde besuchen und für gemeinsame Sache werben
– Griechenland und Italien medienwirksam Hilfe anbieten; Entsendung von Rotes Kreuz, Polizisten anbieten, um Aufbau der Hotspots zu beschleunigen
– Geberkonferenz für UNHCR mitinitiieren

Österreich bemüht sich, bietet Hilfe an und legt klare Lösungsvorschläge auf den Tisch.

5. Niemals Brüssel die Schuld geben

Es ist eine ungute Tradition, dass nationale Regierungen und deren Chefs stets Brüssel bzw. „der EU“ die Schuld an Entwicklungen geben. Brüssel dient meist als Ausrede. Nur eine europäische Lösung kann uns etwas bringen. Die Beschädigung Brüssels ist eine Selbstbeschädigung. Es braucht ein Kerneuropa der Willigen, die anderen zu überzeugen dauert zu lange. Diese Zeit hat man jetzt nicht.  Darüber hinaus spielt eine Beschädigung Brüssels nur den Rechten in die Hände.

6. Klar und hart bei Verstößen sein

Mehrheit der Flüchtlinge sind hochanständige Menschen, die dankbar sind, weil wir sie aufnehmen und sie als Gäste bei uns unterbringen. Bei Verstößen (Stichwort Köln) muss rigoros durchgegriffen werden, sofortige Abschiebungen sind durchzuführen. Wer sich nicht an die Gesetze hält hat sein Gastrecht in der Sekunde verwirkt. Diese klare (und auch richtige) Linie nimmt den Populisten das Wasser von ihren Mühlen.

7. Die Rück-Erpressung

Ich hole mir Dichands und Fellners an einen Tisch oder in zwei Einzelgespräche. Entweder sie hören in der Sekunde auf mit Stimmungsmache oder ich sorge als Kanzler dafür, dass sie keine Inserate einer öffentlichen Institution mehr bekommen und drohe damit, dass ich mit allen relevanten Unternehmungen Österreichs sprechen werde, um diese zu einem Inseratenboykott zu bewegen.

8. Medien einbinden

So eine nationale Aufgabe kann nur gemeinsam geschultert werden. Es sind daher alle Medienmacher des Landes einzubinden. Ziel ist eine gemeinsame Kraftanstrengung, um das feindliche Klima wieder zu drehen. Das ist durchaus möglich, man muss es nur wollen. Man hat gesehen, dass einzelne Ereignisse (totes Kind am Strand, Westbahnhof-Hilfe, Köln) extreme Stimmungsschwankungen auslösen können.

9. Politik erklären, erklären, erklären

Die Regierung erklärt nur alle paar Monate mal, was sie gerade tut. Der Rest ist Schweigen. Das muss aufhören. Wenn man mit einem derart schwierigen Thema konfrontiert ist, muss man informieren. Und das so viel wie möglich. Man muss für seine Position werben, widersprechen, wo es nötig ist.

Klarmachen, was passieren wird. Nicht länger verschweigen, was man schon monatelang vorher weiß. Wenn eine Anzahl von XY Menschen 2016 erwartet wird, dann wird eine Beschwichtigung oder die Nennung einer niedrigeren Zahl nichts bringen. Gar nichts bringen.

10. Keine Diskussionen über Mindestsicherung

Eine Lieblingserzählung der Rechten lautet: „Bei uns gibts auch genug arme Leute.“ und das stimmt ja auch. Wie man dann auf die Idee kommen kann die Mindestsicherung zu kürzen, während man die Unterstützung des Volkes haben will, ist mir ein Rätsel. Es ist eine alte Strategie der Rechten Schwache gegen noch Schwächere auszuspielen; das Antasten der Mindestsicherung befeuert dies nur.

11. An den Nationalstolz appelieren

Die Rechten spielen immer mit dem Heimatthema. Machen wir das doch auch. Wir sind stolz auf unsere Werte und stolz darauf, dass wir ein hilfsbereites Land sind. Ein echter Österreicher hilft. Und er tut das gerne. Man muss Politiker und Prominente einbinden, die müssen auf Achse sein und aus jeder Zeitung schauen, wenn sie mithelfen.

12. Gemeinsames Agieren, gemeinsames Wording, kein Ausscheren

Schluss mit dem politischen Geplänkel, Schluss mit dem gegenseitigen Anschütten. Regierung hat den Eindruck der Ernsthaftigkeit zu vermitteln und zu zeigen, dass man – bei allen Unterschieden in Sachfragen – hier an einem Strang zieht.

Da ließe sich noch einiges aufzählen, aber es kotzt mich eigentlich beim Nachdenken schon an. Natürlich gehörten die Gemeinden ebenso in die Pflicht genommen wie die Länder, noch viel stärker. Aber wir wissen ja, dass ÖVP und SPÖ nicht von ihren Vorsitzenden, sondern von deren Landesparteichefs regiert werden und sich jeder Bürgermeister vor der FPÖ in die Hose scheißt.

Irgendwie denk ich auch an eine State of the union-Rede, aber dafür bräuchte es halt auch einen gscheiten Staatsmann.

In etwa so, oder vielleicht anders, keine Ahnung.

REDE ZUR LAGE DER NATION
Setting: Hofburg, Hinter dem Kanzler die gesamte Bundesregierung, Vertreter der NGOs, Jugendorganisationen

„Liebe Österreicherinnen und Österreicher,

die Flüchtlingsfrage ist das wohl am meist diskutierte Thema unseres Landes. Oft glaubt man, es gäbe gar kein anderes Thema mehr.

Ja, wir stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Aber ist diese so groß, wie wir alle glauben? Ich sagen Ihnen ganz offen: Nein, das ist sie nicht. Wir haben in der Vergangenheit viel größere Herausforderungen zu stemmen gehabt und diese bewältigt. Viele Bürger fragen mich, ob wir uns das leisten können.

Haben wir bei der Hypo gefragt, ob wir uns das leisten können? Die Hypo kostet Sie als Steuerzahler viel mehr Geld als uns die Flüchtlinge je kosten werden. Wir werden alle noch für die Hypo zahlen, da werden die meisten Flüchtlinge unser Land bereits längst verlassen haben, um ihre Heimat wieder aufzubauen.

Hören Sie auch nicht auf jene, die von Zuwanderung sprechen. Es geht hier nicht um Zuwanderung. Es geht darum, dass wir Menschen, die vor einem Krieg fliehen vorübergehend ein Dach über den Kopf und etwas zu essen geben. Es geht nicht darum, dass unsere Gesellschaft unterwandert wird, wie viele behaupten oder wir -ein noch größerere Blödsinn- zu Fremden im eigenen Land werden würden.

Wir haben Gäste in unserem Land, die eine Zeit lang bleiben werden; die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Konflikte und Kriege, die zu deren Flucht geführt haben, beendet werden. Das ist unser Job. Und den müssen wir endlich machen.

In den Medien sind immer wieder Horrorgeschichten zu lesen, denken Sie etwa nur an Köln. Kriminelle sind wie Kriminelle zu behandeln, das ist selbstverständlich, niemand käme auf diese Idee. Und ja, es gibt einen Unterschied zwischen Asylwerbern und Einheimischen bei Straftaten. Asylwerber werden in der Sekunde von uns abgeschoben. Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat hier nichts verloren, das ist selbstverständlich.

Es geht im Grunde um eine einzige Frage: Schaffen wir es, dass wir Flüchtlingen in der Größenordnung von ca. 1,5 bis 2% unserer Bevölkerung eine Zeit lang einen sicheren Ort bieten. Wenn wir das nicht schaffen, meine lieben Österreicherinnen und Österreicher, dann schaffen wir gar nichts. Dann brauchen Sie sich von uns keine Reformen, keine Fortschritte am Arbeitsmarkt oder ähnliches erwarten. Wenn wir als Gesellschaft schon an so einer Aufgabe scheitern, dann scheitern wir in allen anderen Fragen auch.

Es geht auch nicht um Willkommenskultur. Geht es um Willkommenskultur, wenn Sie einen Ertrinkenden retten? Nein, es geht darum, zu helfen. Und Sie warten auch nicht, ob jemand anderer hilft, oder? Sie helfen. Wir freuen uns ,wenn viele europäische Länder Ihr Gastrecht anbieten. Wenn wir aber mit Deutschland und Schweden zu den wenigen gehören, dann ist das keine Fahrlässigkeit von uns, es ist richtig, egal, was andere tun.

Wir kommen bei der Schaffung von Kapazitäten an unsere Grenzen, das ist richtig. Aber wenn wir ehrlich sind, dann haben wir uns noch nicht überall so bemüht, wie wir eigentlich sollten. Und wissen Sie woran das liegt? Weil wir Angst haben.  Angst, Wahlen zu verlieren.  Angst, unbeliebt zu sein. Angst, weil wir zwar einen Plan haben, aber nicht wissen, ob er funktionieren wird, weil wir es nicht alleine entscheiden können, weil es eben internationale Fragen sind, die uns hier beschäftigen.

Angst aber, war noch nie eine gute Grundlage für das eigene Handeln. Wir sind Österreicher, unsere Großeltern haben ein zerbombtes Land, ein Land ohne Perspektive aufgebaut, wir  gehören zu den reichsten Ländern der Welt.  Das alles wurde nicht geschafft, weil wir Angst hatten. Nein. Es wurde erreicht, weil wir uns etwas zugetraut haben und mehr noch: Wir haben uns unseren Herausforderungen gestellt, ohne zu jammern.
Ich weiß, dass viele von Ihnen mit der Arbeit der Regierung unzufrieden sind, und ja, wir könnten vieles besser machen. Ich weiß, dass viele von Ihnen von der Politik generell enttäuscht sind. Und ich kann Ihnen nicht einmal sagen, dass Sie das zu unrecht sind.

Es geht hier aber nicht um uns. Nicht um unsere Fehler. Nicht um unsere Versäumnisse, die wir zweifellos zu verantworten haben.

Es geht um Menschen, die keinem von uns etwas getan haben und die um ihr Leben gerannt sind. Viele von ihnen haben es nicht einmal zu uns geschafft. Und sollen wir wirklich jemandem einen Vorwurf machen, dass er lieber bei uns bleiben will als in einem der anderen Länder Europas?

Der Charakter eines Menschen zeigt sich in Krisenzeiten; das Herz eines Menschen zeigt sich, wenn er gebraucht wird. Diese Menschen brauchen uns jetzt für eine gewisse Zeit. Wenn es ein Land gibt, dass diese Herausforderung schaffen wird, dann sind es wir, da bin ich ganz sicher.

Abgesehen von den nationalen Anstrengungen haben wir auch internationale Aufgaben zu erfüllen. Ich habe, gemeinsam mit unserem Außenminister, eine Initiative gestartet, um Bewegung in die starren Fronten der EU-Mitgliedsstaaten zu bringen. Wir werden noch im Februar zu einer Konferenz nach Wien laden, um einerseits die notwendigen Mittel für den Betrieb der Flüchtlingslager vor Ort bereitzustellen und andererseits bei der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU Fortschritte zu erreichen. Ich habe darüber hinaus Alexis Tsipras und Matteo Renzi schnelle und unkomplizierte Hilfe beim Aufbau der Hotspots angeboten. Wir sind jederzeit bereit, Soldaten, Polizisten und Vertreter der NGOs zu entsenden. Österreich streckt seine Hand aus und arbeitet intensiv an internationalen Lösungen mit.

Wir müssen nationale Maßnahmen treffen, um eine geordnete Abwicklung sicherzustellen. Dazu gehört, dass wir an den Grenzen unsere Präsenz verstärken, um eine lückenlose Registrierung der Ankommenden sicherzustellen. Das war sicher ein Versäumnis der letzten Monate, das wird der Vergangenheit angehören. Wir müssen ebenso rasch über Rückführungen mit Ländern wie Marroko oder Afghanisten bilaterale Gespräche aufnehmen. Wer ein Recht auf Asyl oder subsidiären Schutz hat, der kann bei uns gerne Gast sein. Allen anderen wird mitzuteilen sein, dass wir sie nicht bei uns aufnehmen werden. Es wäre aber rücksichtslos Sie etwa alle nach Slowenien zurückzuschicken und damit unseren Nachbarn über Gebühr zu belasten. Wir werden daran arbeiten, dass Rückführungen direkt in jene Länder stattfinden aus denen die Menschen gekommen sind.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Machen Sie sich keine Sorgen, dass Ihnen Flüchtlinge etwas wegnehmen würden. Kein Flüchtling wird Ihnen Ihren Arbeitsplatz wegnehmen; Sie werden keinen Euro weniger auf dem Konto oder Lohnzettel haben. Das ist alles absurde Angstmache. Diese Menschen sind froh, wenn sie in Frieden leben können und wenn Sie Obdach und Essen für die Zeit bekommen, die sie bei uns bleiben, bevor sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in ein paar Jahren stolz auf die Bewältigung dieser Herausforderung sein werden. Dass wir stolz sein werden, unseren Beitrag in dieser für diese Menschen so schweren Zeit geleistet zu haben. Heimat, großer Töchter und Söhne. Heimat auf Zeit für Menschen, die es sich verdient haben, von uns freundlich behandelt zu werden.“

So, jetzt ist es 20:48 Uhr.

Ich bin mit dem Text überhaupt nicht zufrieden, er ist eigentlich schlecht. Aber löschen und/oder bearbeiten mag ich ihn auch nicht. Man muss ihn als Entwurf sehen. Als Gedankensammlung. Als etwas, das man niemandem schickt eigentlich. Aber so seht ihr wenigstens wie ich mich einem Thema im ersten Schritt nähere. Ist ja auch spannend, vielleicht. Oder auch nicht. Eigentlich auch wurscht.