90% der ÖVP-Wähler sind für die Sicherungshaft. Man kann solche Umfragen ja nicht ernst nehmen, aber egal. Das Volk will das, also hat es zu geschehen. Sebastian Kurz gehört zu jenen Politikern, die dem Volk nur allzu gut und genau aufs Maul schauen. Es gibt unzählige sozialdemokratische oder konservative Politiker, die das tun. Bevor man Position bezieht, schaut man einmal nach, was das Stimmvieh so davon hält. Eine derartige Politik führt sich selbst ad absurdum, denn man könnte einfach einen Automaten das Land regieren lassen. Mehr als 70%  dafür, sofort umsetzen! Und natürlich nehmen Politikerinnen und Politiker diverser Couleurs diesen „Volkswillen“ dankbar als Argumentationshilfe und Faktenersatz. Man will ja nicht gegen das eigene Volk regieren.

So ähnlich agiert auch der burgenländische Landeshauptmann Doskozil. Dahinter steckt der strategische Glaube, man müsse nur Mehrheitspositionen der Bevölkerung übernehmen und der Wahlerfolg stellt sich dann schon ein. Das kann ja sogar stimmen. Aber ist es als Strategie geeignet?

Doch, halt. Nehmen Politiker immer einfach die Position ein, die eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung teilt? Natürlich nicht.

Eine überwältigende Mehrheit findet es nicht fair, dass Millionenerben keine Steuern zahlen. Oder, dass Amazon und Co. im Unterschied zu unseren heimischen Wirtschaftstreibenden kaum Steuern zahlen. Es gibt auch genügend Erkenntnis darüber, dass eine überwältigende Mehrheit für leistbares Wohnen ist und sich Sorgen macht, ob die Pflege einmal für die eigene Familie beherrschbar wird. Komisch. Hier ist der „Volkswille“ wurscht. Und schon sind wir beim wesentlichen Punkt: Natürlich ist das mit dem Willen der Menschen ein Schmäh, der nur dort erzählt wird, wo er passt. Dort, wo andere Interessen wichtiger sind, dort ist die Mehrheit egal.

Dort nehmen Parteien entweder Haltung ein oder vertreten die Interessen gewisser Klientels. Man kann sich leicht ausrechnen, welche Interessen vertreten werden, wenn man gegen Erbschafts- oder Vermögenssteuern agitiert oder gegen ein Wohnkostensenkungsprogramm. Da geht es um Geld. Um nichts anderes.

Dem entgegen könnte eine Haltung stehen. Die Haltung, dass man für Inhalte eintritt, egal, ob sie populär sind oder nicht. Weil man von ihnen überzeugt ist. Das wäre die Chance der SPÖ. Denn sie wird mit dem Schielen nach der Mehrheitsmeinung am Feld der Migrations- und Sicherheitspolitik keinen Erfolg haben und selbst wenn, so wäre der Preis die Aufgabe der eigenen Werte und somit einer, den man nicht zahlen sollte.

Es geht um Haltung. Man muss es sich nur trauen.